Ein fataler Flug durchs Schweizer Gebirge
Die betroffene Pilotin war Teil eines Dreier-Formationsflugs vom Pays-d’Enhaut ins Wallis. Als junge, wenig erfahrene Pilotin vertraute sie auf die gemeinsame Planung und Dynamik der Gruppe – ein häufiger Fehler in der Gruppenfliegerei, bei dem individuelle Leistungsgrenzen schnell in den Hintergrund geraten.
Im Verlauf des Fluges unterschätzte sie jedoch die Geländeanforderungen und Höhe der Pässe. Ohne ausreichend Höhenreserve flog sie in ein Tal ein, aus dem es kein sicheres Ausweichen mehr gab, als sich zeigte, dass der Steigflug zur Überquerung des Passes nicht ausreichte. Die Maschine kollidierte in der Folge mit dem Gelände – mit tödlichem Ausgang.
Die SUST stellt in ihrem Bericht fest, dass es sich um eine Verkettung mehrerer Fehlentscheidungen handelte:
- mangelhafte Flugtaktik im Gebirge
- fehlende Berücksichtigung des Windes
- ungenügende Höhenreserven
- Gruppendruck im Formationsflug
- mangelndes Situationsbewusstsein
Gebirgsflug erfordert spezielle Vorbereitung und Flugtaktik
Im Unterschied zu Flügen im Flachland müssen Piloten im Gebirge nicht nur die Höhe des Geländes berücksichtigen, sondern auch viele weitere Faktoren in ihre Planung einbeziehen:
1. Höhenreserve bei Passüberquerungen
Grundregel:
Mindestens 1000 ft (300 m) über dem Pass bei Windstille –
mindestens 2000 ft (600 m) bei Wind.
Die tatsächliche Überflughöhe hängt von Windrichtung, -stärke und Turbulenzgefahr ab. Ein Bergsattel, der aus dem Tal erreichbar scheint, kann sich bei Gegenwind oder starker Thermik als tückische Falle entpuppen.
2. Talflüge: Nur mit Ausweichoption
Flüge in Tälern sollten nur begonnen werden, wenn sicher ist, dass:
- der Talverlauf bekannt ist
- der Pilot das Gelände überblicken kann
- eine sichere Wendemöglichkeit besteht
- ausreichend Platz für Kurskorrekturen vorhanden ist
Einflug ohne Sicht auf das Talende oder ohne genügend Höhe zum Überfliegen eines Hangs oder Passes ist hochriskant – besonders bei unbekanntem Gelände oder unvorhersehbaren Windverhältnissen.
3. Wetter und Wind: Der unsichtbare Gegner
Im Gebirge sind Windeffekte besonders ausgeprägt. Der sogenannte Föhnwind, Leeturbulenzen, Abwinde auf der Leeseite oder plötzliche Thermiken können einen stabil geplanten Flug binnen Sekunden ins Chaos stürzen.
Insbesondere bei starkem Wind ab etwa 20 kt ist extreme Vorsicht geboten. Gebirgserfahrene Piloten raten in solchen Fällen sogar zum Verzicht auf Flüge über Pässe, da sich Turbulenzen auf gefährliche Weise verstärken können.
4. Leistungsreserven und Dichtehöhe
Ein weiterer kritischer Punkt ist die Motor- und Steigleistung bei hoher Dichtehöhe – ein Phänomen, das besonders an heißen Sommertagen auftritt.
- Warme Luft = geringere Dichte = geringere Auftriebskraft
- Motorleistung und Propellerwirkungsgrad sinken
- Startstrecken verlängern sich dramatisch
- Steigleistung verringert sich oft um 30–50 %
Gerade an kleinen Gebirgsflugplätzen mit kurzen Pisten kann das fatale Folgen haben.
5. Gruppendynamik nicht unterschätzen
Formations- oder Gruppenflüge sind besonders riskant, wenn Pilotinnen und Piloten unterschiedlicher Erfahrungsstufen gemeinsam unterwegs sind. Weniger erfahrene Teilnehmer neigen dazu, sich dem Verhalten der Gruppe anzupassen – selbst wenn sie dabei eigene Sicherheitsgrenzen überschreiten.
Vermeintlicher Gruppenzwang, kombiniert mit schwierigen Bedingungen, kann zu folgenschweren Fehlentscheidungen führen. Jede Pilotin und jeder Pilot ist letztlich allein verantwortlich für die eigene Sicherheit und sollte niemals aus Gruppenzwang in eine kritische Situation geraten.
Fazit: Fliegen im Gebirge erfordert Respekt, Vorbereitung und Disziplin
Das tragische Unglück im Sommer 2019 ist kein Einzelfall – aber es ist ein Mahnruf an alle Piloten, die sich ins alpine Gelände wagen. Die Kombination aus eindrucksvoller Landschaft, engen Tälern, Höhenunterschieden und Wetterdynamik macht Gebirgsflüge faszinierend, aber eben auch gefährlich, wenn man sie unterschätzt.
Die wichtigsten Regeln auf einen Blick:
✅ Flieg niemals „blind“ in ein Tal – erkenne früh, ob du es sicher verlassen kannst
✅ Halte ausreichend Höhenreserve – im Zweifel lieber zu viel als zu wenig
✅ Analysiere Windverhältnisse und meide kritische Zonen wie Leeseiten und Engstellen bei starkem Wind
✅ Berücksichtige Dichtehöhe und Flugzeugleistung, insbesondere im Sommer
✅ Vermeide Gruppendruck – deine Sicherheit steht über Gruppenzielen
Quellverweise:
Staysafe.aero