Pilot-Hub News

Mehr Sicherheit durch systematisches Lernen: Die Rolle von EU-Verordnung 376/2014 und dem ECCAIRS-Meldesystem in der Allgemeinen Luftfahrt

Zuletzt aktualisiert am 3. Mai 2025
Die Allgemeine Luftfahrt (General Aviation, GA) ist geprägt von Vielfalt: Privatpiloten, Flugschulen, Luftsportvereine, Werkflugzeuge und viele weitere Akteure tragen zu einem lebendigen, aber auch sicherheitskritischen Betrieb bei. Umso wichtiger ist es, dass aus Fehlern systematisch gelernt wird – nicht um Schuldige zu finden, sondern um künftige Zwischenfälle und Unfälle zu vermeiden. Eine entscheidende Grundlage dafür bildet die EU-Verordnung Nr. 376/2014, die das Meldewesen in der Zivilluftfahrt neu geregelt hat. Sie ist ein bedeutender Schritt hin zu einer offenen, vertrauensvollen und lernenden Fehlerkultur in der Luftfahrt – auch im nicht-gewerblichen Bereich.

Der Hintergrund: Warum systematisches Melden wichtig ist

Sicherheit in der Luftfahrt entsteht nicht durch die Abwesenheit von Fehlern, sondern durch den richtigen Umgang mit ihnen. Auch in der Allgemeinen Luftfahrt kommt es regelmäßig zu sicherheitsrelevanten Ereignissen – vom Luftraumverstoß über Beinahe-Zusammenstöße bis hin zu Problemen bei der Flugvorbereitung oder dem technischen Zustand des Luftfahrzeugs.

Oft sind es vermeidbare Faktoren, die zu gefährlichen Situationen führen: menschliches Versagen, fehlerhafte Kommunikation, unklare Verfahren oder mangelnde Systemkenntnis. Doch diese Situationen bleiben häufig unter dem Radar – insbesondere im GA-Bereich, wo keine professionellen Safety-Management-Systeme (SMS) vorgeschrieben sind. Genau hier setzt die EU-Verordnung 376/2014 an: Sie schafft ein europaweit einheitliches System zur Erfassung, Analyse und Weitergabe sicherheitsrelevanter Informationen.


Was regelt die EU-Verordnung 376/2014?

Die Verordnung (EU) Nr. 376/2014 über die Meldung, Analyse und Weiterverfolgung von Ereignissen in der Zivilluftfahrt trat am 15. November 2015 in Kraft und gilt für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Ihr Ziel: Die Verbesserung der Flugsicherheit durch ein strukturiertes Meldesystem, das es erlaubt, Risiken frühzeitig zu erkennen und präventive Maßnahmen zu ergreifen – und zwar auf europäischer Ebene.

Die Verordnung verpflichtet alle Akteure im Luftfahrtbetrieb zur Meldung von sicherheitsrelevanten Vorkommnissen. Dazu gehören unter anderem:

  • Piloten und Flugzeugführer
  • Betreiber von Luftfahrzeugen
  • Flugschulen und Ausbildungsorganisationen (ATO/DTO)
  • Wartungs- und Instandhaltungsbetriebe
  • Luftverkehrsleiter und Flugplatzbetreiber
  • Hersteller von Luftfahrtgerät
  • Behörden und Dienststellen der Flugsicherung

Die Meldepflicht besteht sowohl für gewerblichen als auch nicht-gewerblichen Luftverkehr. Besonders für die Allgemeine Luftfahrt ist das ein wichtiges Signal: Sicherheit ist eine gemeinsame Aufgabe, unabhängig von der Art der Operation.


Welche Ereignisse müssen gemeldet werden?

Die Verordnung unterscheidet zwischen Meldepflichtigen Ereignissen und freiwilligen Meldungen. Zu den meldepflichtigen Ereignissen zählen unter anderem:

  • Beinahe-Zusammenstöße in der Luft oder am Boden (Runway Incursions)
  • Luftraumverletzungen (z. B. Einflug in kontrollierte Zonen ohne Freigabe)
  • Ausfälle wichtiger Systeme während des Fluges (z. B. Avionik, Navigation, Kommunikation)
  • Probleme mit Flugleistungsdaten oder Gewichtsberechnungen
  • Verlust der Kontrolle über das Luftfahrzeug (auch temporär)
  • Gefährdung durch andere Luftfahrzeuge oder Hindernisse
  • Fehler bei der Flugplanung, die sicherheitsrelevant sind

Darüber hinaus werden auch freiwillige Meldungen begrüßt – etwa bei Verdachtsmomenten, auffälligen Trends oder Beinahe-Ereignissen, die nur durch Glück nicht zu einem Unfall geführt haben. Die Schwelle zur Meldung sollte bewusst niedrig gehalten werden: Jeder Hinweis kann helfen, Schwachstellen zu erkennen.


Das ECCAIRS-System: Digital, einheitlich, vertraulich

Zur praktischen Umsetzung des Meldewesens dient das europäische System ECCAIRS (European Co-ordination Centre for Accident and Incident Reporting Systems). Es handelt sich dabei um eine einheitliche digitale Plattform, über die Ereignismeldungen zentral erfasst und ausgewertet werden können.

In Deutschland wird ECCAIRS über das MOR-System (Mandatory Occurrence Reporting) des Luftfahrt-Bundesamtes (LBA) und das Bundesamt für Flugsicherung (BAF) angebunden. Meldungen können über das ECCAIRS2-Portal oder nationale Plattformen eingereicht werden. In Österreich betreut Austro Control den Meldeprozess; in der Schweiz ist das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) zuständig.

Wichtig: Die Meldungen werden vertraulich behandelt. Die Identität der meldenden Person wird geschützt, und es gilt der Grundsatz der „Just Culture“ – also einer gerechten Sicherheitskultur, in der nicht bestraft, sondern analysiert und gelernt wird.


„Just Culture“ – Vertrauen statt Strafe

Ein zentraler Bestandteil der EU-Verordnung ist der Schutz von Meldenden. Es wird ausdrücklich betont, dass niemand wegen einer ehrlichen und gutgläubigen Meldung benachteiligt oder rechtlich belangt werden darf. Dieser sogenannte Whistleblower-Schutz ist Voraussetzung dafür, dass sich Piloten und Beteiligte überhaupt trauen, sicherheitsrelevante Vorgänge zu melden.

Ziel ist eine „Just Culture“ – eine Sicherheitskultur, die auf Vertrauen, Verantwortung und Lernbereitschaft basiert. Sie erkennt an, dass Menschen Fehler machen – und dass diese Fehler wertvolle Hinweise auf systemische Probleme liefern. Nur wenn offen über Schwächen gesprochen wird, können diese auch behoben werden.


Was bedeutet das für die Allgemeine Luftfahrt?

Gerade im Bereich der Allgemeinen Luftfahrt ist eine funktionierende Fehlerkultur besonders wichtig. Anders als im Linien- oder gewerblichen Flugverkehr gibt es hier keine flächendeckenden Sicherheitsmanagementsysteme, Audits oder flugbetriebliche Abteilungen. Daher ist es umso bedeutsamer, dass Pilot:innen und Organisationen selbst Verantwortung übernehmen und zur Sicherheitsdatenbasis beitragen.

Zudem ermöglicht ECCAIRS eine europaweite Trendanalyse: Meldungen aus verschiedenen Staaten und Luftfahrtbereichen können miteinander verglichen werden. Dadurch lassen sich Risikoschwerpunkte frühzeitig erkennen – etwa systematische Fehler bei der Flugvorbereitung, neue Bedrohungen durch Drohnen oder Probleme mit digitalen Navigationssystemen in der GA.


Fazit: Melden rettet Leben – auch in der General Aviation

Die EU-Verordnung 376/2014 und das ECCAIRS-Meldesystem stellen wichtige Instrumente dar, um die Sicherheit in der Allgemeinen Luftfahrt nachhaltig zu verbessern. Sie bieten einen strukturierten, geschützten und vertrauensvollen Rahmen, um aus Fehlern zu lernen – bevor sie zu Unfällen führen.

Für jeden Einzelnen in der GA-Community bedeutet das: Wer ein sicherheitsrelevantes Ereignis beobachtet oder erlebt, sollte dies melden – nicht aus Angst oder Pflicht, sondern aus Überzeugung. Denn jeder Beitrag zählt. Eine gelebte Fehlerkultur rettet Leben – im Cockpit, am Boden und darüber hinaus.


Quellverweise:
LBA

Noch kein Mitglied? Jetzt registrieren: