Der Unfallhergang: Vom Routineflug zum Desaster
Der 50-jährige verantwortliche Pilot startete am Unfalltag gemeinsam mit einem weiteren Luftfahrzeugführer von Schärding/Suben (LOLS) nach Salzburg (LOWS). Dort stiegen zwei Passagiere zu – Ziel war ein Flug nach Zagreb (LDZA). Schon dieser erste Flug war laut Ermittlern durch eine Überladung und einen außerhalb der Toleranz liegenden Schwerpunkt gekennzeichnet – beides Verstöße gegen die Grundlagen der Luftfahrzeugführung und Flugsicherheit.
Am Nachmittag trat die Cirrus den Rückflug von Zagreb nach Salzburg an – nach Sichtflugregeln (VFR), obwohl die meteorologischen Bedingungen eindeutig Instrumentenflugbedingungen (IMC) erwarten ließen. Der Pilot verfügte nicht über eine IFR-Berechtigung. Über den Alpen herrschten zum Unfallzeitpunkt eine aktive Föhnlage aus Süden sowie eine herannahende Kaltfront mit tiefen Wolkenbasen und möglicher Vereisung. Trotzdem stieg die Maschine auf 11.500 Fuß – eine Höhe, bei der nach EASA-Vorgaben spätestens nach 30 Minuten Sauerstoff zugeführt werden muss. Hinweise auf ein entsprechendes System an Bord wurden nicht gefunden.
Das letzte Lebenszeichen – und der Absturz
Nach etwa einer Stunde Flugzeit meldete sich der Pilot bei Wien Information in 8.800 Fuß – das war der letzte Funkkontakt. Die Cirrus verlor bald darauf Höhe und wurde von Augenzeugen beobachtet, wie sie mit lautem Motorengeräusch, starker Schräglage und geringer Geschwindigkeit aus den Wolken stürzte. Das Flugzeug zerschellte in einem Waldgebiet auf 1.250 Metern Höhe. Der Propeller bohrte sich 1,5 Meter tief in den Boden, die Zelle wurde vollständig zerstört. Es gab keine Überlebenden.
Die Ursachen: Eine Kette schwerwiegender Fehlentscheidungen
Die österreichische Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB) analysierte das Wrack. Technische Mängel wurden ausgeschlossen – das Flugzeug war zum Zeitpunkt des Unfalls in einem einwandfreien technischen Zustand. Die Ursache lag also nicht im Material, sondern im Menschen.
Die Liste der Versäumnisse ist lang:
- Keine IFR-Berechtigung, aber Flug in IMC
- Einflug in vorhergesagte Vereisungsbedingungen
- Keine Sauerstoffversorgung bei über 10.000 Fuß
- Überladung des Flugzeugs und Schwerpunkt außerhalb der Toleranz
- Blockiertes Gesamtrettungssystem, da der Sicherungsstift nicht entfernt wurde
- Mögliche räumliche Desorientierung des Piloten
- Strömungsabriss und Kontrollverlust als wahrscheinliche Absturzursache
Diese Kombination führte zu einem katastrophalen Verlust der Fluglagekontrolle – und zeigte eindrücklich, dass Vorschriften in der Luftfahrt keine Formalien, sondern Sicherheitsbarrieren sind.
Die Rolle des Gesamtrettungssystems – und neue Sicherheitsforderungen
Die Cirrus SR20 war mit dem bekannten Cirrus Airframe Parachute System (CAPS) ausgestattet – einem Gesamtrettungssystem, das in der Lage ist, das gesamte Flugzeug mit Insassen sicher an einem Fallschirm zur Erde zu bringen. Es wurde nicht ausgelöst, weil der Sicherheitsstift am Auslösegriff nicht entfernt worden war. Laut SUB hätte das System bei rechtzeitiger Auslösung unter Umständen den Absturz verhindern können.
Dieses Detail wirft weitere Sicherheitsfragen auf – vor allem für Rettungskräfte. Das nicht ausgelöste Rettungssystem stellte eine Gefahr dar: Die enthaltene Rakete hätte jederzeit unbeabsichtigt gezündet werden können. Da die Feuerwehr vor Ort nicht über das nötige Fachwissen oder Werkzeug verfügte, musste der Entminungsdienst des österreichischen Innenministeriums hinzugezogen werden. Erst nach sechs Stunden konnte das System entschärft und die Opfer geborgen werden.
Drei konkrete Empfehlungen an die EASA
Als Konsequenz fordert die Sicherheitsuntersuchungsstelle drei zentrale Maßnahmen von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA):
- Europäisches Register für Luftfahrzeuge mit Raketenrettungssystemen
Dieses soll Rettungskräften bei Einsätzen schnellen Zugriff auf sicherheitsrelevante Informationen ermöglichen – insbesondere zur Entschärfung solcher Systeme. - Sichtbare Kennzeichnung der Raketenkomponenten mit Signalfarbe
Ähnlich wie Flugdatenschreiber sollen die gefährlichen Bauteile durch auffällige Farbgebung eindeutig identifizierbar sein. - Konstruktive Entschärfungsmöglichkeit am Raketenmotor selbst
Derzeit existiert nur eine Sicherung am Auslösegriff im Cockpit – eine zusätzliche Sicherung am Motor selbst könnte die Arbeit von Rettungskräften erheblich sicherer machen.
Diese Forderungen betreffen nicht nur Cirrus-Flugzeuge, sondern auch viele Ultraleichtflugzeuge, bei denen Rettungssysteme weit verbreitet sind – deren Betrieb allerdings nationalen Regelungen unterliegt. Die EASA ist daher gefordert, ein koordiniertes europäisches Konzept zu schaffen.
Lehren aus dem Unglück: Ausbildung, Verantwortung, Prävention
Der Absturz der Cirrus SR20 offenbart tragisch, wie Fehlentscheidungen, Regelverstöße und Unwissen tödlich zusammenwirken können. Dabei war kein einzelner Faktor allein ursächlich – sondern die Verkettung vieler vermeidbarer Fehler.
Diese reichen von der mangelhaften Flugvorbereitung, über Missachtung meteorologischer Warnungen, unzureichende technische Einweisung in die Sicherheitsausstattung bis hin zum Ignorieren der grundlegenden Vorschriften für Gewicht, Schwerpunkt und Ausrüstung.
Der Vorfall unterstreicht die Notwendigkeit:
- der regelmäßigen Schulung zu Weight & Balance
- der Vermeidung von VFR-Flügen in IMC
- einer verpflichtenden Unterweisung in das Rettungssystem
- einer stärkeren Sensibilisierung für Sauerstoffpflicht in großen Höhen
Fazit: Tragisches Lehrstück mit Potenzial zur Verbesserung
Der Unfall von Tamsweg ist ein Beispiel für menschliches Versagen in Serie – doch genau solche Fälle können durch ihre detaillierte Aufarbeitung zukünftige Leben retten. Die von der SUB formulierten Vorschläge an die EASA sind praktikabel, dringend und sicherheitsrelevant. Sie zeigen, dass Luftfahrt-Sicherheit nicht bei der Lufttüchtigkeit aufhört – sondern bei Ausbildung, Planung und Verantwortungsbewusstsein beginnt.
Denn: Die Luftfahrt ist nur so sicher wie diejenigen, die sie betreiben.
Quellverweise:
Fliegermagazin