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Sicherheitsrelevante Ereignisse in der Allgemeinen Luftfahrt: Warum Störungsmeldungen so wichtig sind

Zuletzt aktualisiert am 27. Juni 2025
In der Allgemeinen Luftfahrt (General Aviation, GA) steht die Sicherheit an oberster Stelle. Trotz hoher Professionalität der Beteiligten und regelmäßiger Wartung von Luftfahrzeugen lassen sich Zwischenfälle nie ganz vermeiden. In solchen Fällen spielen sogenannte Störungsmeldungen eine zentrale Rolle. Dieser Artikel erläutert, was genau gemeldet werden muss, wer zur Meldung verpflichtet ist und warum eine gelebte Sicherheitskultur die Grundlage für ein besseres Sicherheitsniveau bildet.

Was ist eine Störungsmeldung – und warum ist sie so wichtig?

Störungsmeldungen dokumentieren sicherheitsrelevante Vorkommnisse, die nicht zwangsläufig zu einem Unfall geführt haben, aber das Potenzial dazu hatten. Beispiele hierfür sind Beinahezusammenstöße, plötzlicher Leistungsverlust des Motors, unerwartete Systemausfälle oder gefährliche Annäherungen – sei es am Boden oder in der Luft.

Solche Meldungen dienen einem übergeordneten Ziel: dem kollektiven Lernen. Sie werden von nationalen und europäischen Behörden gesammelt, analysiert und ausgewertet. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen in Sicherheitswarnungen, Empfehlungen und Schulungsmaßnahmen ein. Dadurch können systematische Risiken erkannt und proaktiv entschärft werden – bevor es zu einem echten Unfall kommt.


Die rechtlichen Grundlagen der Störungsmeldung

Die Verpflichtung zur Meldung ergibt sich aus verschiedenen Rechtsquellen:

  • EU-Verordnung (EU) Nr. 376/2014 über die Meldung, Analyse und Weiterverfolgung von Ereignissen in der Zivilluftfahrt
  • Delegierte Verordnung (EU) 2015/1018, Anhang V: Listet meldepflichtige Ereignisse auf
  • § 9 Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO) für Deutschland

Piloten von nicht-kommerziellen Luftsportgeräten wie Ultraleichtflugzeugen, Segelflugzeugen oder Gleitschirmen melden Vorfälle über ihre jeweiligen Dachverbände (z. B. DAeC, DULV, DHV, DFV). Alle anderen GA-Piloten sowie Betreiber, Techniker oder Betriebsleiter verwenden das europaweit einheitliche Meldeportal ECCAIRS2 (European Coordination Centre for Accident and Incident Reporting Systems).


Was muss konkret gemeldet werden?

Meldepflichtig sind alle Ereignisse, bei denen ein Sicherheitsrisiko bestand – auch wenn es glimpflich ausging. Beispiele:

  • Luftfahrzeugtechnik: Systemausfälle, Triebwerksprobleme, unerkannte Schäden an Struktur oder Steuerung
  • Flugbetrieb: Notlandungen, Kontrollverlust, gefährliche Annäherungen, Abweichungen von Flugplänen oder Bahnen
  • Luftraumverletzungen: Einflug in gesperrte oder kontrollierte Gebiete ohne Freigabe
  • Externe Gefahren: Laserblendung, Vogelschlag, Drohneninterferenz
  • Kommunikation & Navigation: Funkausfall, Missverständnisse mit der Flugsicherung

Ein Unfall muss sofort der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) gemeldet werden – zusätzlich zur Eintragung ins ECCAIRS2-System.


Wer muss melden – und wann?

Die Meldepflicht betrifft alle Personen, die am Flugbetrieb oder an der Wartung beteiligt sind:

  • Pilotinnen und Piloten
  • Fluglehrer
  • Techniker und Prüfer
  • Betreiber und Betriebsleiter
  • Bodenpersonal, sofern sie sicherheitsrelevante Vorkommnisse feststellen

Die Meldung muss spätestens innerhalb von 72 Stunden nach dem Ereignis erfolgen. Für Unfälle gilt: sofortige Meldung an die BFU!


Datenschutz und Fehlerkultur: Was passiert mit den Daten?

Viele Piloten zögern, weil sie Repressalien fürchten – doch diese Sorge ist unbegründet. Die EU-Verordnung garantiert eine Just Culture: Die persönlichen Daten der meldenden Person werden nicht an andere Behörden oder gar die EASA weitergeleitet. Sie dienen ausschließlich Rückfragen durch das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) oder beauftragte Verbände.

Das Ziel ist nicht Bestrafung, sondern Verbesserung. Nur eine offene Fehlerkultur ermöglicht nachhaltige Sicherheitsfortschritte.


Technische Hürden abgebaut: Meldeportale angepasst

Lange Zeit galt ECCAIRS2 als wenig nutzerfreundlich – insbesondere für die General Aviation. Inzwischen hat das LBA gemeinsam mit dem Bundesausschuss Technik des DAeC die Eingabemasken überarbeitet und speziell auf die Anforderungen von GA-Piloten zugeschnitten. Damit ist die Nutzung deutlich einfacher geworden.

Zusätzlich bieten die Verbände (DAeC, DULV, DHV, DFV) eigene Meldeformulare für ihre Mitglieder an – je nach Luftsportgerät.


Praxisbeispiel: Rotax-Störungen nicht gemeldet

Ein gutes Beispiel für die Relevanz des Themas war eine Umfrage des Baden-Württembergischen Luftfahrtverbands (BWLV) und des DAeC im Herbst. Dabei zeigte sich, dass nur rund 25 % der bekannten Störungen von Rotax-Motoren auch tatsächlich beim LBA gemeldet worden waren.

Gründe waren unter anderem Unsicherheit über die Konsequenzen, mangelnde Bekanntheit der Meldepflicht und technische Schwierigkeiten beim Ausfüllen der Formulare. Diese Hürden wurden inzwischen größtenteils beseitigt.


Warum all das? Das Käsescheibenmodell als Leitbild

Das sogenannte Käsescheibenmodell (Swiss Cheese Model) des Sicherheitsforschers James Reason ist ein häufig zitiertes Bild in der Luftfahrt: Jedes Sicherheitsdefizit ist wie ein Loch in einer Scheibe Käse. Wenn mehrere solcher Löcher in einer Linie stehen, können Gefahren ungehindert zum Unfall durchdringen. Ziel ist es daher, durch organisatorische, technische und menschliche Maßnahmen die „Scheiben dichter“ zu machen.

Störungsmeldungen sind dabei ein essenzielles Werkzeug, um bestehende Löcher sichtbar zu machen – und sie durch Empfehlungen, Schulungen und Anpassungen zu schließen.


Weiterführende Informationen & Links

Offizielle Meldeportale:

Regelwerke und Merkblätter:

  • EU-Verordnung (EU) 376/2014
  • Delegierte Verordnung (EU) 2015/1018
  • LBA-Merkblatt: „Meldung von Ereignissen durch Piloten und Pilotinnen sowie anderen Personen“
  • Safety Letter der AOPA Germany

Fazit: Aus Fehlern lernen – für mehr Sicherheit in der Luft

Störungsmeldungen sind ein entscheidendes Instrument, um die Sicherheit in der Allgemeinen Luftfahrt kontinuierlich zu verbessern. Sie helfen, Schwachstellen im System frühzeitig zu erkennen, statistisch zu erfassen und durch gezielte Maßnahmen zu beheben. Eine offene, nicht sanktionierende Fehlerkultur ist dabei unverzichtbar – denn nur wenn Vorfälle gemeldet werden, kann daraus gelernt werden.

Deshalb gilt: Lieber einmal zu viel gemeldet als einmal zu wenig. Der Lerneffekt für die gesamte Community kann Leben retten.


Quellverweise:
DAEC

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