Der Vorfall: Crash in den Hangar nach misslungener Landung
Ein 51-jähriger Flugschüler, der sich in Ausbildung zum LAPL(A) befand, sollte nach einem intensiven Trainingstag zwei Platzrunden im Alleinflug absolvieren. Was als routinierter Übungsflug begann, endete in einem schweren Unfall: Nach einem zu schnellen Anflug setzte das Flugzeug zu spät auf, rollte über das Pistenende hinaus und prallte gegen eine Hangarwand. Der Schüler wurde schwer verletzt, das Flugzeug – eine Diamond DA20 Katana – erheblich beschädigt.
Technische Ursachen: Falsche Klappenstellung – hohe Anfluggeschwindigkeit
Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) stellte bei der Analyse des Wracks fest: Die Landeklappen waren nicht vollständig ausgefahren, sondern befanden sich noch in der Take-off-Stellung (15°). Für die Landung schreibt das Flughandbuch eine Klappenstellung von 45° vor. Die zu geringe Klappenstellung führte zu:
- erhöhter Anfluggeschwindigkeit
- längerem Ausschweben im Bodeneffekt
- verzögertem Aufsetzen
Der Schüler bemerkte zwar die Überfahrt, brachte sie jedoch nicht mit einer falschen Klappenstellung in Verbindung – ein klassischer Fall kognitiver Überlastung.
Mentale Überforderung: Ein unterschätzter Risikofaktor
Die BFU betont, dass der Schüler nach einem vollen Flugtag mit mehreren Trainingsflügen mental möglicherweise bereits an seiner Leistungsgrenze angelangt war. Eine Ruhephase zwischen den Flügen hätte laut Bericht helfen können, die Konzentration für den anspruchsvollen Alleinflug zu regenerieren.
Zudem war der Flugschüler durch eine siebenmonatige Ausbildungspause in seiner fliegerischen Routine deutlich eingeschränkt. Obwohl er zuvor wieder zehn Flugstunden mit Lehrer absolviert hatte, war seine Alleinflugpraxis mit lediglich 27 Minuten äußerst begrenzt.
Entscheidungsfähigkeit: Durchstarten statt „erzwingen“
Ein zentrales Element im Bericht ist die mangelhafte Entscheidungsfindung in der kritischen Endphase. Laut BFU hat der Schüler versucht, die Landung trotz ungünstiger Parameter „durchzuziehen“, statt sich für ein Durchstartmanöver zu entscheiden – obwohl dieses in der Ausbildung zuvor intensiv geübt worden war.
Rainer Krumm, Autor des Buchs „Mentales Training für Piloten“, wird im Bericht zitiert:
„Ein Pilot ist erst dann bereit für den ersten Soloflug, wenn er nicht nur handwerklich sicher fliegt, sondern auch in der Lage ist, Situationen zu beurteilen, Entscheidungen zu treffen und sie umzusetzen.“
Die BFU sieht hier eine klare Lücke in der Entscheidungsfähigkeit des Flugschülers.
Weitere Faktoren: Pistenprofil und Funkprobleme
Die 725 Meter lange Asphaltbahn in Oerlinghausen weist ein nicht zu unterschätzendes Gefälle von 56 Fuß im Längsprofil auf. Dies kann, insbesondere bei geringen Flugerfahrungen, zu optischen Täuschungen im Anflug führen. Der Schüler setzte möglicherweise höher an, weil er fälschlich glaubte, zu tief zu sein.
Erschwerend kam hinzu, dass der Funkverkehr blockiert war, als der Fluglehrer eine Durchstartanweisung geben wollte – der Kanal war belegt durch ein anderes Flugzeug. Erst als es bereits zu spät war, konnte er über Funk „links, links, links“ rufen – eine Richtungsweisung, die den Einschlag in den Zaun verhinderte, aber die Kollision mit der Hangarwand nicht mehr abwenden konnte.
Lehren für die Ausbildung: Qualität vor Quantität
Der Fall von Oerlinghausen wirft zentrale Fragen zur Ausbildungspraxis auf:
- Wie belastbar ist ein Flugschüler nach einem langen Trainingstag?
- Wieviel Alleinflugzeit braucht ein Schüler, bevor er realistisch sicher agieren kann?
- Wie wichtig ist das gezielte Training von Entscheidungsfindung und Notfallalternativen?
Die BFU empfiehlt, dass Fluglehrer die mentale Leistungsfähigkeit ihrer Schüler bewusst einschätzen und Pausen einplanen sollten. Ebenso sollten sie nicht nur fliegerisches Können, sondern auch psychologische Belastbarkeit und Handlungsflexibilität im Auge behalten.
Fazit: Vorbereitung, mentale Stärke und klare Entscheidungen retten Leben
Der tragische Unfall in Oerlinghausen zeigt deutlich: Technische Fehler wie eine falsche Klappenstellung sind vermeidbar – wenn die mentale Klarheit und Entscheidungsfähigkeit vorhanden sind. Ein Soloflug ist keine Formsache, sondern ein psychologisch wie technisch anspruchsvoller Schritt. Fluglehrer und Flugschüler sollten ihn mit größtmöglicher Sorgfalt vorbereiten – denn wie die BFU treffend formuliert:
„Eine Entscheidung kann falsch sein. Nichts zu entscheiden, ist falsch.“
Quellverweise:
Fliegermagazin