Die Faktenlage: NOTAMs mit weitreichender Wirkung
Bereits seit dem 5. März 2025 ist in Antwerpen das NOTAM A1458/25 aktiv. Es verbietet explizit alle Flüge von Luftfahrzeugen mit AVGAS-100LL-Antrieb – es sei denn, es liegt eine PPR-Genehmigung (Prior Permission Required) vor. De facto wird diese Genehmigung jedoch nicht mehr erteilt, wie betroffene Piloten bestätigen. Die letzte Möglichkeit für einzelne Ausnahmen sei aufgrund „erschöpfter Kontingente“ ebenfalls ausgeschlossen.
Am 1. Mai 2025 folgte Ostende-Brügge mit einem vergleichbaren Verbot – und auch hier wird der Verweis auf „Umweltschutz“ als pauschale Begründung bemüht. Gemeinsam ist beiden Flughäfen nicht nur der Standort in Flandern, sondern auch die politische Trägerschaft durch die flämische Regionalregierung, die sich ambitionierte Umweltziele auf die Fahnen geschrieben hat.
Technisch und rechtlich problematisch
AVGAS 100LL ist ein bleihaltiger Flugkraftstoff, der weltweit in der Allgemeinen Luftfahrt verwendet wird – vor allem für kolbenmotorgetriebene Flugzeuge. Zwar ist langfristig die Einführung bleifreier Alternativen wie UL94 oder G100UL vorgesehen, doch befinden sich diese Kraftstoffe noch im Einführungsprozess oder sind nur in Einzelfällen zertifiziert und verfügbar.
Ein generelles Nutzungsverbot für AVGAS 100LL gibt es auf europäischer Ebene nicht. Zwar wird ein Produktionsverbot ab 2025 diskutiert, jedoch existieren derzeit weder ein Import- noch ein Verwendungsverbot für den bewährten Kraftstoff. Entsprechende Übergangsfristen bis mindestens 2032 gelten als realistisch – insbesondere, da technische Umrüstungen, Zertifizierungen und Infrastrukturmaßnahmen Zeit benötigen.
Auch Luftqualitätsdaten sprechen gegen ein generelles Verbot: Das Umweltbundesamt in Deutschland hat wiederholt bestätigt, dass die Bleibelastung aus der Allgemeinen Luftfahrt vernachlässigbar gering sei und deutlich unter den zulässigen Grenzwerten liegt. Hauptquellen für verbleibende Blei-Emissionen sind laut Studien Industrieprozesse sowie Abrieb von Reifen und Bremsen – nicht aber Flugplätze mit AVGAS-Betrieb.
Juristische Eskalation: Klage gescheitert – aber Widerstand wächst
Eine Koalition belgischer Flugzeughalter hatte in Antwerpen einen Eilantrag gegen das NOTAM gestellt. Die juristische Unterstützung der IAOPA (International Council of Aircraft Owner and Pilot Associations) wurde dabei jedoch – aus bislang ungeklärten Gründen – nicht einbezogen. Das belgische Gericht lehnte den Antrag ab und stützte seine Entscheidung auf ein angeblich bereits geltendes AVGAS-Verbot in der EU. Diese Begründung ist nach Auffassung zahlreicher Luftfahrtexperten nicht haltbar.
Die IAOPA Europa, vertreten durch Vorsitzenden Michael Erb, sowie die nationalen AOPAs in Luxemburg, Deutschland und den Niederlanden, haben sich klar gegen das Vorgehen positioniert. Man arbeite derzeit an rechtlichen Schritten – inklusive einer möglichen Crowdfunding-Finanzierung für Klagen, um Präzedenzfälle zu verhindern.
Auch internationale Verbände wie die GAMA (General Aviation Manufacturers Association) und Europe Air Sports sehen in den Maßnahmen einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Mobilität und Sicherheit der Allgemeinen Luftfahrt. Selbst Flugzeuge der belgischen Küstenwache sind betroffen, da einige ihrer Seeaufklärer mit AVGAS betrieben werden – ein sicherheitspolitisch fragwürdiger Nebeneffekt.
Ein gefährlicher Präzedenzfall für Europa
Die Sorge der Luftfahrtverbände ist klar: Wenn ein europäisch zugelassener Flughafen europäischen Luftfahrzeugen mit zugelassenem Kraftstoff den Zugang verwehrt, wird das Grundprinzip der Harmonisierung und Freizügigkeit im europäischen Luftraum untergraben. Derartige Beschränkungen könnten willkürlich auch anderswo eingeführt werden, wenn dieser Fall nicht juristisch geklärt wird.
Die AOPA Luxemburg formuliert es deutlich:
„Wir unterstützen das Ziel einer bleifreien Zukunft – aber nicht durch Chaos, Illegalität und Ausgrenzung. Der Schritt von Ostende und Antwerpen ist ein Angriff auf die Freiheiten der Luftfahrt.“
Die Forderung an die belgischen Behörden ist eindeutig: Rücknahme der Verbote oder vollständige wissenschaftlich fundierte Begründung im Einklang mit EU-Recht.
Ein strukturierter Übergang statt politischer Symbolik
Die europäische Luftfahrtbranche arbeitet intensiv an alternativen Kraftstoffen, doch der Übergang muss rechtssicher, technisch fundiert und wirtschaftlich machbar sein. Die gegenwärtige Situation ist eine Mahnung: Gut gemeinter Umweltschutz darf nicht in technologischer Verweigerung oder politischem Aktionismus enden.
Fazit:
Das Vorgehen in Antwerpen und Ostende wirft grundlegende Fragen zur Verhältnismäßigkeit und Rechtsstaatlichkeit im europäischen Luftverkehrsraum auf. Es bleibt zu hoffen, dass juristische Klärungen sowie der Druck internationaler Luftfahrtverbände dazu führen, dass umweltpolitische Ziele und verlässliche Rahmenbedingungen für die Allgemeine Luftfahrt in Einklang gebracht werden – statt einseitig Verbote zu verhängen, die mehr Schaden als Nutzen verursachen.
Quellverweise:
AOPA