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NFL 2025-1-3459 – Neue Regelungen für Sichtanflüge unter IFR: Was Piloten und Lotsen künftig beachten müssen

Zuletzt aktualisiert am 3. Mai 2025
Mit Wirkung ab dem 25. April 2025 hat das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) eine umfassend überarbeitete Regelung zur Durchführung von Sichtanflügen unter Instrumentenflugregeln (IFR) veröffentlicht. Die Bekanntmachung, veröffentlicht in den „Nachrichten für Luftfahrer“, definiert einheitliche Voraussetzungen, Verfahren und Einschränkungen, unter denen Sichtanflüge zulässig sind – sowohl auf Initiative des Piloten als auch auf Vorschlag der Flugverkehrskontrolle. Der neue Standard stellt sicher, dass Sichtanflüge effizient und sicher in den Anflugbetrieb integriert werden können, ohne die Verkehrslage zu gefährden oder gegen lokale Beschränkungen wie Lärmschutzauflagen zu verstoßen. Für viele IFR-Pilot:innen – insbesondere im gewerblichen Verkehr – ist das eine willkommene Klarstellung.

Was ist ein Sichtanflug unter IFR?

Ein Sichtanflug (Visual Approach) im Kontext des IFR-Flugbetriebs ist ein Anflug, bei dem ganz oder teilweise auf ein veröffentlichtes Instrumentenanflugverfahren verzichtet wird, weil die Wetterbedingungen und Erdsicht dies erlauben. Sichtanflüge ermöglichen einen direkteren Anflugweg, sparen Zeit, reduzieren den Treibstoffverbrauch und entlasten die Flugsicherung – vorausgesetzt, sie werden korrekt durchgeführt.


Voraussetzungen für die Freigabe eines Sichtanflugs

Die neue Bekanntmachung nennt klare Bedingungen, unter denen ein IFR-Flug zu einem Sichtanflug freigegeben werden darf:

  1. Der Pilot muss Erdsicht haben, d. h. er muss Bodensichtbedingungen erfüllen (Ziffer 2.1.1).
  2. Die Hauptwolkenuntergrenze muss über der Höhe des Beginns des Anfangsanflugsegments liegen, oder das Luftfahrzeug befindet sich bereits darunter (Ziffer 2.1.2).
  3. Alternativ darf der Pilot während eines regulären Instrumentenanflugs melden, dass er Sichtflugbedingungen hat und sicher zum Flugplatz navigieren kann (Ziffer 2.1.3).

Wichtig: Die Verantwortung zur Wahrung der Hindernisfreiheit geht mit der Freigabe vollständig auf den Piloten über.


Verfahren für Piloten

Ein Pilot, der einen Sichtanflug durchführen möchte, muss dies explizit anfragen. Beispiele für die Kommunikation:

  • „Request visual approach runway 26“ – Sichtanflug wird beantragt.
  • „Request vectors for visual approach runway 08“ – IFR-Vektoren in Erwartung eines späteren Sichtanflugs.
  • „Able to accept visual approach runway 14“ – Sichtbedingungen vorhanden, Anflug möglich.

Sobald ein Sichtanflug begonnen wird, liegt die Verantwortung für Staffelung gegenüber Hindernissen beim Piloten. Die Staffelung zu anderen Flugzeugen wird weiterhin durch die Flugsicherung sichergestellt – außer sie wird explizit dem Piloten übertragen („maintain own separation“).


Verfahren für die Flugverkehrskontrolle

Auch die Flugverkehrskontrolle (ATC) kann einen Sichtanflug vorschlagen – allerdings nur dann, wenn die Wetterbedingungen dies zulassen (vgl. Hauptwolkenuntergrenze) und die Verkehrssituation es erlaubt.

Wird ein Sichtanflug mit einem Pistenwechsel im Endanflug kombiniert, muss der Pilot ein individuelles Fehlanflugverfahren (Missed Approach) erhalten. Die Kontrollstelle kann dem Piloten auch bei Tag die Verantwortung für die Staffelung zu einem vorausfliegenden Luftfahrzeug übertragen, sofern Sichtkontakt besteht.


Einschränkungen und Lärmschutz

Trotz positiver Effekte auf Verkehrsfluss und Flexibilität sind Sichtanflüge nicht überall erlaubt. Die neue Regelung sieht flughafenspezifische Einschränkungen vor – zum Beispiel wegen Lärmschutzvorgaben oder besonderer Betriebsverfahren. Hier einige Beispiele:

  • Frankfurt (EDDF), Köln (EDDK), Düsseldorf (EDDL), München (EDDM) und Bremen (EDDW): Sichtanflüge grundsätzlich nicht erlaubt, mit wenigen Ausnahmen.
  • Hamburg (EDDH): gestaffelte Vorgaben nach Gewicht (mind. 4–7 NM Endanflug je nach MTOW).
  • Stuttgart (EDDS): nur Sichtanflüge bis 5,7 t MPW, Überflüge von Siedlungsgebieten vermeiden.
  • Berlin Brandenburg (EDDB): Mindest-Endanflug von 6 NM, kein Sinkflug unter 2.000 ft MSL vor dem Endanflug.

Auch Tageszeiten und Navigationsausfälle können Sichtanflüge erforderlich machen oder ausschließen. In Gebieten mit RMZ (Radio Mandatory Zone) ist keine Freigabe für Sichtanflüge möglich.


Was bedeutet das für die Praxis?

Die neuen Vorgaben bringen für IFR-Pilot:innen sowohl Vorteile als auch neue Verantwortlichkeiten:

Vorteile:

  • Kürzere Anflugwege, besonders bei guten Wetterbedingungen
  • Treibstoffeinsparung und weniger Arbeitslast im Cockpit
  • Flüssigerer Verkehrsfluss, insbesondere bei geringem Verkehrsaufkommen

Herausforderungen:

  • Der Pilot muss jederzeit Hindernisfreiheit sicherstellen.
  • Sichtanflüge erfordern exakte Situational Awareness.
  • Lärmschutz- und Betriebsauflagen müssen beachtet werden.
  • Unterschiedliche Lokalverfahren erfordern sorgfältige Vorbereitung.

Fazit: Sichtanflüge – mehr Flexibilität, mehr Verantwortung

Die überarbeiteten Regelungen schaffen endlich Klarheit darüber, wann und wie Sichtanflüge unter IFR durchgeführt werden dürfen. Sie stärken die Flexibilität im Anflug, geben Piloten neue Handlungsspielräume – verlagern aber auch Verantwortung vom Lotsen auf den Piloten. Insbesondere an großen Verkehrsflughäfen mit komplexen Verfahren bleiben Sichtanflüge eingeschränkt oder ausgeschlossen.

Wer Sichtanflüge plant, sollte sich mit den neuen Regeln und den örtlichen Besonderheiten vertraut machen – am besten im Rahmen von Crew-Trainings oder Recurrent-Checks.


Quellverweise:
NFL (der Link erfordert ein Abo bei Eisenschmidt)

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