Die Entstehung eines Gewitters
Gewitter entstehen, wenn drei zentrale Voraussetzungen zusammenkommen: eine hohe Luftfeuchtigkeit in den unteren Atmosphärenschichten, eine labile Schichtung der Troposphäre (warm unten, kalt oben) und ein auslösender Impuls, der die Luft zum Aufsteigen bringt. Solche „Trigger“ können thermische Aufwinde über sonnenbeschienenen Hanglagen, Konvergenzen oder herannahende Frontensysteme sein.
Sobald feuchtwarme Luft aufsteigt, bilden sich zunächst Cumuluswolken. Wenn diese vertikal weiter anwachsen, entsteht ein Towering Cumulus (TCU), der sich schließlich zu einer ausgewachsenen Cumulonimbuswolke (CB) entwickelt – der typischen Gewitterwolke. Diese durchläuft drei Phasen: Entwicklung (nur Aufwinde), Reifestadium (gleichzeitige Auf- und Abwinde, oft mit Starkniederschlag) und Auflösung (dominante Abwinde, nachlassender Niederschlag).
Ein wichtiges Merkmal ist die Windscherung. Ist die Strömung in unterschiedlichen Höhen stark unterschiedlich, können langlebige und organisierte Gewitterkomplexe entstehen – darunter auch Superzellen mit rotierendem Aufwindkern. Fehlt diese Scherung, bleibt das Gewitter meist kurzlebig und örtlich begrenzt.
Typische Auslöser: Von der Bergflanke bis zur Kaltfront
Besonders häufig entstehen Gewitter durch thermisch bedingte Konvektion über stark erhitzten Flächen wie Gebirgshängen. Werden diese Vorgänge zusätzlich durch Höhenströmungen unterstützt, können die Gewitter auch in die angrenzenden Tieflagen ziehen. Ebenfalls typische Auslöser sind Kaltfronten, die linienförmige Gewitterbänder mit sich bringen können. Auch Konvergenzlinien und ausströmende Kaltluft älterer Gewitter (sogenannte Outflows) sind bekannt dafür, neue Gewitterzellen zu triggern.
Nicht nur am Nachmittag, auch nachts und in den frühen Morgenstunden können Gewitter auftreten – ausgelöst durch Trogachsen oder Kaltlufttropfen in höheren Luftschichten. In vielen Fällen wirken mehrere dieser Mechanismen gleichzeitig.
Gewitterverteilung in der Schweiz
Die Verteilung von Gewittern ist regional sehr unterschiedlich. Am häufigsten treten sie im Tessin und in den Voralpen auf – hier kann es an 20 bis 40 Tagen pro Jahr zu Gewittern kommen. Auch entlang des Juras ist die Häufigkeit hoch. Dagegen verzeichnet das Mittelland und insbesondere inneralpine Lagen deutlich weniger Gewittertage. Neben der Anzahl Gewittertage ist auch die Dichte der Blitzeinschläge ein relevanter Indikator, der regional stark variiert.
Gefahren für die Sichtfliegerei
Für die VFR-Luftfahrt sind Gewitter mit erheblichen Risiken verbunden. Bereits TCUs enthalten Turbulenzen, die je nach Stärke für kleine Luftfahrzeuge gefährlich werden können. Besonders bedrohlich sind Abwinde in Bodennähe, sogenannte Downbursts, die das Flugverhalten im Anflug oder während des Starts drastisch verändern können. Diese Windscherungen treten oft auch in einiger Entfernung zum Gewitter auf – insbesondere in bergigem Gelände, wo sich Windstrukturen kanalisiert und unvorhersehbar verhalten.
Hagel stellt ein weiteres ernstzunehmendes Risiko dar. Er entsteht in Gewitterzellen mit besonders starken Aufwinden. Dabei ist zu beachten, dass Hagelkörner durch starke Winde auch außerhalb der sichtbaren Wolkenbereiche transportiert werden können. Wer unterhalb eines Gewitterambosses fliegt, setzt sich unter Umständen ohne es zu erkennen erhöhter Gefahr aus.
Starkregen kann zusätzlich die Sicht massiv beeinträchtigen. Innerhalb von Sekunden kann ein VFR-Flug unter solchen Bedingungen unkontrollierbar werden. Die Kombination aus Sichtverlust, Turbulenz und struktureller Belastung kann fatale Folgen haben.
Strategien für Flugvorbereitung und -durchführung
Wer bei potenziellen Gewitterlagen fliegt, sollte sich bewusst auf die Situation vorbereiten. Als generelle Faustregel gilt: Gewitter sind weiträumig zu umfliegen. Dabei wird ein Mindestabstand von 20 nautischen Meilen auf der Rückseite des Gewitters empfohlen. Auf der Vorderseite richtet sich der Abstand idealerweise nach der Windgeschwindigkeit: pro Knoten Wind mindestens eine nautische Meile Abstand – also beispielsweise 30 NM bei 30 kt.
Bereits bei der Flugplanung sollte eine alternative Route eingeplant, zusätzliche Treibstoffreserven berücksichtigt und potenzielle Ausweichflugplätze eingezeichnet werden. Auch eine möglichst flexible Zeiteinteilung hilft, bei Bedarf am Boden abzuwarten.
Zur Einschätzung der Wettersituation stehen verschiedene Produkte zur Verfügung: SIGMETs warnen vor gefährlichen Phänomenen wie Gewittern oder Hagel. SWC-Karten zeigen das vertikale Ausmaß von Gewitterwolken. Auch TAFs, GAFOR, Satellitenbilder und Webcams liefern wertvolle Hinweise. Besonders wichtig ist jedoch der eigene Blick auf das Wettergeschehen. Erste Anzeichen wie schnell wachsende Cumuluswolken oder der Aufbau eines Ambosses sollten niemals ignoriert werden.
Fazit
Gewitter gehören zu den spektakulärsten, aber auch gefährlichsten Wetterphänomenen der Fliegerei. Ihre Entstehung lässt sich verstehen, ihre Auswirkungen erfordern jedoch stets erhöhte Aufmerksamkeit und Respekt. Wer die Wetterentwicklung aufmerksam beobachtet, sich gut vorbereitet und Sicherheitsabstände strikt einhält, kann auch in der Sommerzeit sicher und souverän unterwegs sein. Wachsamkeit, Umsicht und flexible Entscheidungsfreude sind dabei die wichtigsten Begleiter im Cockpit.
Quellverweise:
Staysafe.aero