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NFL 2025-1-3649 – Neue Regelungen für Landungen und Starts bei geringer Sicht

Zuletzt aktualisiert am 26. Oktober 2025
Ab dem 27. November 2025 gelten in Deutschland neue, einheitliche Verfahren für den Flugbetrieb bei geringer Sicht. Die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH hat die bestehenden Regelungen zur Durchführung von Instrumentenanflügen (ILS) sowie zum Schutz der sensiblen Anlagensignale überarbeitet und in einer aktualisierten Bekanntmachung zusammengefasst. Diese betreffen insbesondere große Verkehrsflughäfen wie Frankfurt, München oder Hamburg, wo Starts und Landungen unter extrem eingeschränkten Sichtbedingungen regelmäßig vorkommen. Ziel der neuen Verfahren ist es, die Sicherheit im Endanflug und beim Rollen zu erhöhen und gleichzeitig einen stabilen Flugbetrieb auch bei Nebel und niedriger Wolkenuntergrenze zu gewährleisten.

Einheitliche Standards an 14 deutschen Flughäfen

Die neuen Verfahren gelten an allen großen Verkehrsflughäfen mit Instrumentenlandesystemen der Kategorien CAT II und CAT III, darunter Berlin Brandenburg, Bremen, Dresden, Düsseldorf, Erfurt-Weimar, Frankfurt/Main, Hamburg, Hannover, Köln/Bonn, Leipzig/Halle, München, Münster/Osnabrück, Nürnberg, Saarbrücken und Stuttgart.

An diesen Plätzen wird künftig ein standardisiertes Set an Abläufen eingeführt, das die gesamte Kette von der Landung bis zum Abrollen abdeckt. Ziel ist, dass Piloten, Bodenpersonal und Fluglotsen nach denselben, europaweit abgestimmten Prinzipien agieren, sobald die Sichtweite (Runway Visual Range, RVR) unter festgelegte Grenzwerte sinkt.

Definitionen und Kategorien des Flugbetriebs bei geringer Sicht

Die DFS unterscheidet mehrere abgestufte Szenarien:

Low Visibility Operations (LVO):
Flugbetrieb bei Pistensichtweiten unter 550 Metern oder einer Entscheidungshöhe von unter 200 Fuß. Dazu zählen Starts, Landungen und Rollbewegungen, bei denen die visuelle Orientierung eingeschränkt ist.

Low Visibility Take-Off (LVTO):
Startverfahren, die bei einer Pistensichtweite von weniger als 550 Metern angewendet werden. An den genannten Flughäfen werden diese Verfahren teilweise bereits bei einer RVR von 600 Metern oder weniger aktiviert, um einen reibungslosen Betriebsablauf sicherzustellen.

Guided Take-Off:
Ein speziell überwachter Start bei extrem niedriger Sicht – bis hinunter zu 75 Metern RVR – bei dem der Pilot den Startlauf nicht mehr ausschließlich über visuelle Orientierung, sondern mithilfe des ILS-Landekurssenders steuert. Dieses Verfahren wird nur bei entsprechend zertifizierten Flugzeugen und Besatzungen angewendet.

Ab wann gelten die Low-Visibility-Verfahren?

Die Aktivierung der sogenannten Low Visibility Procedures (LVP) erfolgt abhängig von Sichtweite und Wolkenuntergrenze. Sie werden wirksam, sobald die Pistensichtweite ≤ 1000 Meter oder die Hauptwolkenuntergrenze ≤ 300 Fuß beträgt.

In dieser Phase werden vorbereitende Maßnahmen ergriffen, darunter:

  • Aktivierung der Notstromversorgung für alle relevanten Landehilfen,
  • Freihalten der Sensitive und Critical Areas des ILS von Fahrzeugen, Personen und technischem Gerät,
  • Überprüfung der Beleuchtungsanlagen und Signalisierungssysteme.

Sinkt die Sicht weiter unter 600 Meter oder die Wolkenuntergrenze unter 200 Fuß, tritt der eigentliche LVO-Betrieb in Kraft. Dann werden zusätzliche Maßnahmen aktiviert:

  • Abschalten der Gleitwinkelbefeuerung und des EFAS-Systems (Enhanced Flight Approach System),
  • Einschalten der Pisten- und Rollbahnmittellinienbefeuerung,
  • Aktivierung roter Seitenbalken und Haltebalkenbeleuchtungen,
  • Einsatz verstärkter Staffelungs- und Rollabstände durch die Flugsicherung.

Kommunikation über ATIS und Sprechfunk

Die Flugsicherung informiert Piloten über den Status des Betriebs bei geringer Sicht über das ATIS (Automatic Terminal Information Service) oder den Sprechfunk. Dabei kommen standardisierte Meldungen zum Einsatz, beispielsweise:

  • “LOW VISIBILITY PROCEDURES IN OPERATION, CAT II AND III AVAILABLE”
    → Die LVP sind aktiv, CAT-II- und CAT-III-Anflüge sind möglich.
  • “LOW VISIBILITY TAKE-OFF PROCEDURES RUNWAY (number) IN OPERATION”
    → Für die angegebene Piste gelten spezielle Startverfahren bei niedriger Sicht.
  • “LOW VISIBILITY PROCEDURES IN OPERATION, CAT III AND GUIDED TAKE-OFF AVAILABLE FOR RUNWAY (number)”
    → Besonders eingeschränkter Betrieb; Starts mit Instrumentenführung sind zugelassen.

Diese Meldungen werden automatisch in den ATIS-Durchsagen integriert, sobald die relevanten Schwellenwerte erreicht werden.

Schutz der ILS-Signale – der kritische Faktor

Eine der zentralen Neuerungen betrifft den Schutz der ILS-Anlagensignale. Das Instrumentenlandesystem ist das präziseste Navigationsverfahren für Anflüge bei Nebel und ermöglicht Landungen bis hin zu minimalen Sichtbedingungen. Damit die Funkstrahlen der ILS-Sender nicht durch Fahrzeuge oder Flugzeuge am Boden gestört werden, gelten strikte Regeln:

  • Bei Sichtweiten unter 1500 Metern oder einer Wolkenuntergrenze unter 400 Fuß darf sich innerhalb von 2 nautischen Meilen zur Piste kein anderes Flugzeug oder Fahrzeug befinden, das die Signale beeinträchtigen könnte.
  • Die sogenannten Sensitive Areas und Critical Areas um die Landekurssender müssen vollständig frei bleiben.
  • Wenn ein Flugzeug nach der Landung über die Critical Area rollt, müssen nachfolgende Piloten über Funk mit “EXPECT SHORT-TIME ILS INTERFERENCE” gewarnt werden.
  • Während der LVP darf kein Fahrzeug in der Critical Area stehen, sobald sich ein anfliegendes Flugzeug im Endanflug innerhalb von 4 NM zur Schwelle befindet – andernfalls wird sofort ein Fehlanflug angewiesen.

Diese Regelungen verhindern, dass Störungen der ILS-Signale zu unpräzisen Anflügen oder Systemwarnungen im Cockpit führen.

Neue Standards für reibungslose Betriebsabläufe

Die DFS hebt hervor, dass mit den neuen Verfahren nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Effizienz des Flugverkehrs bei Nebel verbessert wird. Durch klar definierte Abläufe und frühzeitige Aktivierung der LVP können Verzögerungen reduziert und Starts besser koordiniert werden.

An großen Flughäfen wie Frankfurt, München oder Düsseldorf sind Landungen nach CAT IIIb heute bereits Routine – also Landungen bei einer Entscheidungshöhe von null Fuß und einer Sichtweite bis hinunter auf 75 Meter. Die neuen DFS-Verfahren sorgen dafür, dass solche hochpräzisen Anflüge künftig noch stabiler und sicherer abgewickelt werden.

Fazit

Mit dem Inkrafttreten der neuen DFS-Regelungen am 27. November 2025 erhält Deutschland ein modernisiertes, europaweit abgestimmtes Konzept für den Flugbetrieb bei geringer Sicht. Es berücksichtigt neueste technische Standards, internationale Best Practices und die Anforderungen stark frequentierter Flughäfen.

Für Piloten bedeutet das: Noch präzisere Anflüge, klar definierte Abläufe bei Nebel und eine deutlich erhöhte Betriebssicherheit. Für die Passagiere wiederum bleibt oft unbemerkt, wie komplex und hochpräzise das Zusammenspiel zwischen Flugzeug, Technik und Flugsicherung wird, wenn draußen nur graue Wand zu sehen ist – und trotzdem alles sicher auf der Bahn landet.


Quellverweise:
NFL (der Link erfordert ein Abo bei Eisenschmidt)

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