Hintergrund: Einheitliche Verfahren für Funkausfälle
Kommunikationsstörungen gehören zu den kritischsten Szenarien im Luftverkehr, insbesondere im IFR-Betrieb. Wenn die Funkverbindung zwischen Cockpit und Flugsicherung ausfällt, muss sich der Pilot ausschließlich auf festgelegte Standardverfahren stützen, um weiterhin sicher zu navigieren und zu landen. Diese Verfahren sind in der europäischen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 (SERA.14083) geregelt, werden aber von den nationalen Behörden präzisiert und an lokale Gegebenheiten angepasst.
Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung hat daher nun eine neue Fassung veröffentlicht, die aktuelle Flugverfahren, RNAV-Standards und STAR-/SID-Strukturen berücksichtigt. Sie definiert genau, welche Routen, Höhen und Transpondercodes Piloten bei einem Funkausfall einzuhalten haben.
Grundlegende Regelungen
Bei Ausfall der Funkverbindung ist grundsätzlich der Transpondercode 7600 zu aktivieren. Der Flug wird anschließend nach den zuletzt erhaltenen Freigaben fortgesetzt. Wurde beispielsweise eine Freigabe zur „Transition to Final Approach“ erteilt, ist diese entsprechend der veröffentlichten lateral- und vertikal-geführten Route fortzusetzen.
Wurde hingegen nur ein „Direct-to“- oder „Via“-Wegpunkt genehmigt, ohne anschließende Freigabe, muss der Flug nach Aktivierung von Code 7600 über diesen Wegpunkt fortgesetzt werden, bis der Übergang in ein bekanntes, veröffentlichtes Anflugverfahren erreicht ist. Dort wird die Navigation gemäß der Standardbeschreibung fortgesetzt, bis ein Endanflug eingeleitet werden kann.
Bei einem Wechsel von IFR auf VFR, etwa bei Annäherung an den Zielflugplatz, gilt: Ist der Weiterflug unter Sichtflugbedingungen nicht möglich, ist zum Ausweichflugplatz oder zu einem anderen geeigneten Platz auszuweichen.
Anpassungen für spezifische Flughäfen
Die Bekanntmachung enthält erstmals detaillierte Funkausfallverfahren für einzelne große Verkehrsflughäfen. Diese Ergänzungen tragen der zunehmenden Nutzung moderner RNAV- und RNP-Verfahren Rechnung und stellen sicher, dass Piloten bei Funkverlust ein vorhersehbares und konfliktfreies Verhalten zeigen.
Frankfurt/Main (EDDF)
Für Frankfurt gelten besonders komplexe Verfahren aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens.
- Nach Aktivierung von Code 7600 ist die zuletzt freigegebene Einflugstrecke (RNAV 1 oder RNP 1) lateral zu befliegen.
- Wurde bereits eine Sinkfreigabe auf oder unter FL 130 erteilt, ist dieser Freigabe zu folgen.
- Ohne Sinkfreigabe ist in das veröffentlichte Warteverfahren über Wegpunkten wie SPESA, MAMBU, UNOKO oder ROLIS einzufliegen und dort auf FL 130 zu sinken. Anschließend wird das Verfahren bis zum Endanflugpunkt (IAF) fortgesetzt.
- Für die Landung sind vorrangig die Bahnen 25L / 07R vorgesehen.
- Bei einem Funkausfall nach einem Fehlanflug ist auf das nächstliegende verfügbare Anflugverfahren derselben oder einer benachbarten Piste überzugehen.
Leipzig/Halle (EDDP)
Hier wurde das Verfahren für RNAV 1-Einflugstrecken (z. B. YAWOY, LUXBO, KOJEC, GOXLI) angepasst.
- Wird keine Sinkfreigabe auf oder unter FL 080 erteilt, ist in das Warteverfahren an einem der genannten Punkte einzufliegen.
- Nach Passieren dieser Punkte wird der Flug entlang der veröffentlichten Route fortgesetzt, wobei die letzte freigegebene Höhe beibehalten wird.
- Der Sinkflug erfolgt ab definierten Punkten wie DP427 oder DP457 auf 5 000 ft MSL, anschließend folgt der Übergang zum IAF (z. B. JOGGA für 26L oder SAHNU für 08R).
München (EDDM)
Flüge auf konventionellen Einflugstrecken halten bei Funkausfall die zuletzt freigegebene Flugfläche bis zum IAF. Im Warteverfahren wird anschließend auf FL 080 gesunken, um den Endanflug einzuleiten.
Friedrichshafen (EDNY)
Bei Nutzung konventioneller Abflugverfahren ist bei Funkverlust und Erreichen von 4 000 ft MSL ohne Funkkontakt der Steigflug mit mindestens 3,3 % Steiggradient fortzusetzen. Anschließend erfolgt eine Kurskorrektur in Richtung des ersten Flugplan-Wegpunkts, abhängig von der aktiven Piste (06 links, 24 rechts). Für RNAV-Abflüge gelten spezielle Wegpunktzuweisungen (z. B. ALAGO, AMIKI, BEMKI).
Hannover (EDDV)
Für Hannover wurden erstmals detaillierte Szenarien je nach Einflugrichtung veröffentlicht.
- Bei Anflügen aus den RNAV-Strecken CEL, NIE, ROBEG oder SAS sind die Standardkurvenverläufe vor und nach bestimmten Wegpunkten (z. B. DV485, DV585) festgelegt, jeweils mit einer maximalen Geschwindigkeit von 220 Knoten.
- So wird sichergestellt, dass das Flugzeug auch ohne Funkführung in einem vorhersagbaren Profil verbleibt.
RNAV- und STAR-Verfahren mit klaren Anweisungen
Für Flüge auf RNAV-STARs ohne Warteverfahren (etwa in Erfurt, Memmingen oder Nürnberg) wurde festgelegt, dass Piloten im Fall eines Funkausfalls zunächst in das Standard-Warteverfahren am Beginn der STAR einfliegen, auf die veröffentlichte Mindestwartehöhe sinken und danach der STAR bis zum Anflug folgen.
Die neuen Verfahren standardisieren damit das Vorgehen für moderne satellitengestützte Navigationsverfahren, bei denen Radarführung nicht immer erforderlich ist.
Bedeutung für die Flugsicherheit
Mit der neuen Bekanntmachung schafft das BAF mehr Klarheit und Vereinheitlichung zwischen den großen deutschen Flughäfen. Für Fluglotsen bedeutet sie eine bessere Vorhersehbarkeit des Flugverhaltens im Notfall. Für Piloten stellt sie sicher, dass sie sich auch bei Verlust der Funkverbindung auf einheitliche, veröffentlichte Verfahren stützen können, die in den AIP-Karten verzeichnet sind.
Durch die präzise Festlegung lateral- und vertikal-geführter Flugrouten wird die Wahrscheinlichkeit von Konflikten mit anderen IFR-Verkehren erheblich reduziert.
Fazit
Die ab 27. November 2025 geltenden Verfahren stellen einen wichtigen Schritt in Richtung Standardisierung und moderner IFR-Navigation dar. Sie berücksichtigen die zunehmende Nutzung von RNAV 1 / RNP 1-Verfahren und schaffen klare Regeln für den Funkausfall – von Frankfurt bis Speyer. Für Piloten gilt: Ein sorgfältiges Studium der AIP-Ergänzungen ist Pflicht, damit im Ernstfall keine Unsicherheiten entstehen.
Quellverweise:
NFL (der Link erfordert ein Abo bei Eisenschmidt)