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Neue Vorschriften für den Sprechfunk: Ein Paradigmenwechsel für kleine Flugplätze

Zuletzt aktualisiert am 8. Dezember 2024
Das Bundesverkehrsministerium hat mit der Veröffentlichung neuer Richtlinien die Sprechfunkverfahren für Flugplätze ohne Flugverkehrsdienste grundlegend geändert. Die Änderungen zielen darauf ab, die Verantwortung für den sicheren Flugbetrieb stärker auf die Piloten zu verlagern und die Rolle der Betriebsleiter klar zu definieren. Doch was bedeutet das in der Praxis für die Allgemeine Luftfahrt? Eine Analyse.

Die neuen Vorschriften im Überblick

Die neuen Richtlinien, veröffentlicht als Nachrichten für Luftfahrer (NfL) 2024-1-3240, regeln die Durchführung des Flugfunks auf Flugplätzen ohne Tower oder AFIS-Stelle. Sie ergänzen die bereits zuvor veröffentlichten Grundsätze über die Betriebsleitung auf Landeplätzen und Segelfluggeländen (NfL 2024-1-3106). Gemeinsam bilden sie das Regelwerk für die Mehrheit der Flugplätze in Deutschland, die ohne Flugverkehrsdienste auskommen müssen.

Zentrale Neuerung ist die klare Trennung zwischen den Aufgaben der Betriebsleiter und den Verantwortlichkeiten der Piloten. Während Betriebsleiter weiterhin organisatorische Aufgaben am Boden übernehmen, dürfen sie sich nicht in das Fluggeschehen einmischen. Piloten müssen ihre Position und Absichten nun eigenständig kommunizieren und Entscheidungen unabhängig treffen – ein Ansatz, der die internationale Praxis vieler Länder widerspiegelt.


Was sich für Betriebsleiter ändert

Die neuen Vorschriften schränken die Befugnisse der Betriebsleiter deutlich ein. Ihnen ist es untersagt,:

  • Verkehrsinformationen mit Positions- oder Höhenangaben zu geben,
  • Landereihenfolgen oder Durchstartanweisungen zu erteilen,
  • konkrete Wetterdaten wie QNH-Werte oder Windstärken weiterzugeben,
  • Bewegungen von Luftfahrzeugen zu koordinieren.

Erlaubt sind lediglich allgemeine Hinweise, etwa eine Empfehlung zur Landerichtung oder die Abfrage von Daten für das Hauptflugbuch. Selbst die Begründung von Anweisungen mit Verweis auf „Gefahrenabwehr“ ist nicht mehr zulässig, sofern es sich faktisch um Anweisungen handelt. Damit wird sichergestellt, dass die Betriebsleiter keine Kompetenzen ausüben, die nur zertifizierten Flugverkehrsdiensten wie Towerlotsen oder AFIS-Mitarbeitern vorbehalten sind.


Die neuen Anforderungen an Piloten

Selbstständige Trennung und Kommunikation

Piloten tragen künftig die alleinige Verantwortung dafür, ihre Position und Absichten im Funk zu kommunizieren und sich eigenständig von anderen Luftfahrzeugen zu separieren. Dies erfordert präzise Positionsmeldungen, die den aktuellen Standort in Bezug auf markante, allgemein bekannte Punkte angeben. Meldungen wie „fünf Minuten nördlich des Platzes“ genügen nicht mehr.

Zusätzlich müssen in der Platzrunde regelmäßig Meldungen erfolgen, einschließlich der Angabe der Landefolge und des geplanten Manövers (z. B. Landung, Touch-and-Go). Dies fördert die situative Aufmerksamkeit und Transparenz zwischen allen Beteiligten.

Neue Sprechgruppen

Die NfL gibt vor, welche Sprechgruppen künftig verwendet werden dürfen. Häufig genutzte Formulierungen wie „abflugbereit“ oder „Start nach eigenem Ermessen“ gehören der Vergangenheit an. Stattdessen sieht der Erstkontakt mit der Bodenfunkstelle folgendermaßen aus:

„[Flugplatzname] Radio, [Kennung], [Luftfahrzeugtyp], [Position], [Absicht], [zusätzliche Informationen].“

Für die Angabe der beabsichtigten Landerichtung gibt es klare Regeln: Piloten sollen sich an den Betrieb anderer Flugzeuge anpassen, den Wind beobachten oder – bei Windstille – eine sinnvolle Entscheidung treffen. Empfiehlt der Betriebsleiter eine andere Bahnrichtung, sollte diese sorgfältig abgewogen werden.


Herausforderungen und Umstellungen

Verantwortungsübernahme

Die neuen Regelungen fordern von Piloten ein höheres Maß an Eigenverantwortung. Wo bislang Betriebsleiter Hinweise oder Entscheidungen trafen, müssen Piloten nun selbstständig handeln. Dies erfordert nicht nur fliegerische Kompetenz, sondern auch ein solides Verständnis der am Platz geltenden Verfahren.

Kommunikation

Eine der größten Herausforderungen ist die konsequente und präzise Kommunikation. Piloten müssen sich darauf einstellen, dass Funkstille oder vage Meldungen nicht mehr toleriert werden. Stattdessen sollen sie proaktiv und klar ihre Absichten mitteilen, um Konflikte zu vermeiden.

Sicherheitskultur

Die Vorschriften betonen die Eigenverantwortung der Luftfahrzeugführer, was eine Kultur der gegenseitigen Rücksichtnahme und des professionellen Verhaltens in der Platzrunde voraussetzt. Missverständnisse oder Fehleinschätzungen können sonst schnell zu kritischen Situationen führen.


Potenzielle Vorteile der neuen Vorschriften

  1. Mehr Eigenverantwortung: Piloten lernen, eigenständige Entscheidungen zu treffen, was ihre fliegerische Kompetenz stärkt.
  2. Effizienz: Die klare Trennung zwischen Bodenorganisation und Flugverkehr kann zu reibungsloseren Abläufen führen.
  3. Standardisierung: Die Regelungen schaffen einen einheitlichen Rahmen, der die Sicherheit und Transparenz an Flugplätzen ohne Flugverkehrsdienste verbessert.

Fazit

Die neuen Vorschriften für den Sprechfunk an kleinen Flugplätzen markieren einen bedeutenden Schritt in der Allgemeinen Luftfahrt. Sie fordern von Piloten ein höheres Maß an Eigenverantwortung und präzise Kommunikation, während die Rolle der Betriebsleiter strikt auf organisatorische Aufgaben beschränkt wird. Diese Umstellung stellt eine Herausforderung dar, birgt jedoch das Potenzial, den Flugbetrieb sicherer und effizienter zu gestalten – vorausgesetzt, alle Beteiligten passen sich den neuen Anforderungen an. Die Umsetzung dieser Richtlinien wird eine Lernkurve erfordern, könnte aber langfristig die Qualität und Sicherheit des Flugbetriebs in Deutschland stärken.


Quellverweise:
Fliegermagazin

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