Warum Höhe den Körper fordert
Mit zunehmender Höhe sinkt der Umgebungsdruck; der Sauerstoffanteil der Luft bleibt zwar bei rund 21 Prozent, pro Atemzug steht aber weniger Sauerstoff zur Verfügung. In etwa 18 000 ft herrscht nur noch ungefähr der halbe Luftdruck wie auf Meereshöhe – entsprechend halbiert sich die nutzbare Sauerstoffmenge pro Liter Atemluft. Besonders empfindlich reagieren Gehirn und Augen: Konzentration, Entscheidungsfähigkeit und Dämmerungssehen lassen nach. Der Körper kann das kurzfristig kompensieren (z. B. durch schnellere Atmung), doch mit steigender Höhe und Flugdauer geraten diese Mechanismen an ihre Grenzen.
Ab wann ist Sauerstoff vorgeschrieben?
Für nichtgewerbliche Flüge in Europa (EASA Part-NCO) gilt:
• Wenn die Kabinen- bzw. Druckhöhe zwischen 10 000 ft und 13 000 ft liegt, müssen flugkritisch eingesetzte Crewmitglieder zusätzlichen Sauerstoff nutzen, sobald die Dauer in diesem Höhenband mehr als 30 Minuten beträgt.
• Ab 13 000 ft müssen alle an Bord zusätzlichen Sauerstoff verwenden – ab der ersten Minute.
Auch unterhalb dieser Grenzen kann Sauerstoff sinnvoll sein, etwa bei Nachtflügen. Das dunkelsichtige Sehen verbraucht überproportional Sauerstoff; viele Piloten berichten, dass eine „Sauerstoffdusche“ schon um 6 000–8 000 ft das Erkennen von Lichtern und Hindernissen spürbar verbessert.
Hypoxie erkennen – trügerisch schleichend
Hypoxie kündigt sich selten mit Atemnot an, sondern schleicht sich ein. Typische Warnzeichen sind nachlassende Sehschärfe (besonders in der Dämmerung), Kopfschmerz, Schwindel, Kribbeln an Fingern/Zehen, verwaschene Sprache, Müdigkeit oder sogar Euphorie. Gefährlich ist, dass die eigene Selbsteinschätzung leidet – wer Hypoxie hat, merkt häufig nicht mehr, dass er betroffen ist. Deshalb gilt: objektiv messen, nicht „nach Gefühl“ fliegen.
Wie viel Zeit bleibt? – Time of Useful Consciousness (TUC)
Kommt es in großer Höhe abrupt zu Sauerstoffmangel (z. B. Versorgungsausfall), bleibt nur ein begrenztes Zeitfenster, in dem sinnvolles Handeln noch möglich ist:
• 18 000 ft: grob 20–30 Minuten (bei schleichender Hypoxie deutlich weniger nützlich).
• 25 000 ft: nur noch 3–5 Minuten.
Diese Werte sind Durchschnittswerte und schwanken stark – Fitness, Müdigkeit, Temperatur, Rauchen oder vorangegangene Aufenthalte in der Höhe verändern die TUC spürbar. Moderne Avionik in einigen Reiseflugzeugen überwacht Inaktivität, warnt akustisch und kann automatisiert in dichtere Luft sinken; verlassen sollte man sich darauf dennoch nicht.
Ausrüstung im Überblick – was passt zu welchem Einsatzprofil?
1) Nasenkanülen (Standard und Reservoir/Konservierungs-Kanülen)
Für bis zu 18 000 ft sind Kanülen zulässig und sehr bequem, insbesondere sogenannte Oxymizer/Oximyzer-Varianten mit kleinem Reservoir („Schnurrbart“ oder Pendant). Diese speichern den kontinuierlichen Fluss während der Ausatmung und geben zu Beginn der Einatmung einen Sauerstoff-„Bolus“ ab – das erhöht die Effizienz und spart Flascheninhalt. Nachteil: Bei starkem Mundatmen sinkt die Wirksamkeit. Ab 18 000 ft ist eine Maske vorgeschrieben.
2) Masken (Oral-Nasal, Rebreather, Dichtmasken)
Masken bedecken Mund und Nase, funktionieren unabhängig vom Mundatmen und sind oberhalb 18 000 ft obligatorisch. Sie trocknen die Schleimhäute stärker aus, stören beim Sprechen und sind weniger komfortabel – sicherheitsrelevant sind sie dennoch die robusteste Lösung in größeren Höhen.
3) On-Demand-/Pulse-Demand-Systeme
Elektronische Regler (z. B. Mountain High O2D2) geben Sauerstoff nur beim Einatmen in genau dosierten Pulsen ab. Vorteile: deutlich geringerer Verbrauch, weniger Austrocknung, oft Zwei-Platz-Betrieb und Warnungen bei Flow-Fehlern oder Apnoe. Für Vielflieger, Alpenquerungen oder lange Legs sind diese Systeme eine best-in-class-Lösung, weil sie die Flaschendauer um ein Mehrfaches verlängern.
4) Portable Flaschen-Sets
Vom einfachen Einplatz-Set bis zur Mehrplatz-Anlage gibt es konfigurierte Kits mit Leichtflaschen (Alu/Kohlefaser), Flowmetern, Kanülen/Masken und Tasche. Für Gelegenheitsflüge über 8 000 ft oder nächtliche Strecken ist das Preis-/Nutzen-Verhältnis sehr gut. Achtung: Anschlussnormen für Befüllung/Armaturen unterscheiden sich zwischen USA und Europa – Adapter einplanen.
5) Sauerstoffkonzentratoren
Moderne Systeme (z. B. Aithre Turbo) gewinnen Sauerstoff aus der Kabinenluft. Sie liefern typischerweise > 93 % O₂ bis etwa 15–18 000 ft (abhängig von Personenzahl/Leistung) und benötigen Bordstrom. Sinnvoll für Vielnutzer, die unbegrenzten Vorrat möchten; empfohlen bleibt eine Flasche als Backup für höhere Last oder Ausfall.
Überwachung: Sättigung messen statt raten
Da Hypoxie schleichend verläuft, gehört ein Pulsoximeter in jedes Cockpit. Richtwerte:
• Normal: etwa 95–98 % SpO₂ (individuell leicht verschieden).
• Handlungsbedarf: < 90 % – Sauerstofffluss erhöhen, sinken, Ursachen checken.
Viele Pilotenuhren/Sportuhren können SpO₂ inzwischen anzeigen und bei niedrigen Werten alarmieren. Messfehler sind möglich (kalte Finger, Nagellack, starke Vibrationen) – daher möglichst mehrfach messen und auf Symptome achten.
Praxis: So setzt man Sauerstoff richtig ein
Pre-Flight
• Höhenprofil und Leg-Dauer planen: Wo überschreite ich 10 000/13 000 ft? Wie lange?
• Ausrüstung checken: Flaschendruck, Dichtheit, Schläuche/Kanülen, Maskendichtungen, Batterien bei On-Demand-Reglern.
• Rollenverteilung: Wer überwacht SpO₂, wer bedient Regler? Wie reagieren wir bei Symptomen?
Im Flug
• Frühzeitig beginnen: Bei Nacht, Müdigkeit oder hoher Workload früher Sauerstoff nutzen.
• Fluss dosieren: So wenig wie nötig, so viel wie wirksam – SpO₂ und Befinden leiten die Einstellung.
• Trinken! Trockene Kabinenluft und Sauerstoffgabe dehydrieren.
• Hygiene: Fettfrei im Gesichtsbereich; Sauerstoff und Öl/Fett sind eine riskante Kombination.
Notfall/Eskalation
• Symptome → Sauerstofffluss erhöhen, Maske statt Kanüle, unverzüglich sinken.
• Systemausfall → Backup (Zweitregler/Reserveflasche/Konzentratormodus) oder Notabstieg in sichere Dichtehöhe.
Wiederbefüllung, Lagerung, Sicherheit
• Medizinischer vs. aviatischer O₂: Für die Luftfahrt wird in der Praxis hochreiner Sauerstoff verwendet; entscheidend sind Sauberkeit und wasser-/öl-freie Armaturen.
• Befüllstand im Bordbuch notieren, Flaschenhydroprüfung/Prüffristen beachten.
• Transport beachten: Sauerstoff ist Gefahrgut; Flaschen im Fahrzeug fixieren, Ventilschutz aufsetzen, keine Hitzezonen.
• Adapter/Standards: In Europa (DIN) und den USA (CGA) gelten verschiedene Gewinde/Anschlüsse – falsche Adapter vermeiden Leckagen oder Beschädigungen.
Typische Einsatzszenarien
Nacht-VFR auf 6 000–8 000 ft: Kanüle/Reservoirkanüle, niedriger Fluss – Sicht und Aufmerksamkeit profitieren deutlich.
Alpenquerung FL120–FL140: On-Demand-Regler mit Maske/Kanüle, SpO₂-Überwachung, klare SOP für Notabstieg.
Reiseflug mit Familie im UL/SEP: Zwei- oder Mehrplatz-Portable-Set, einfache Bedienung, Oximeter für alle Plätze, Wasser an Bord.
Regelmäßige High-Altitude-Trips: Festeinbau oder leistungsfähiger On-Demand-Regler, ggf. Konzentrator plus Flaschen-Backup.
Kurzfazit
Zusätzlicher Sauerstoff ist oberhalb 10 000 ft nicht nur eine Komfortfrage, sondern ein Sicherheitsfaktor – und ab 13 000 ft zwingend für alle an Bord. Wer systematisch plant, die eigene Sättigung misst und passende Ausrüstung einsetzt, bleibt auch in großen Höhen fit for flight. Für viele GA-Profile hat sich ein Trio bewährt: Pulsoximeter, Reservoir-Kanüle oder Maske und ein On-Demand-Regler mit ausreichender Flaschenkapazität – ergänzt um klare SOPs für Nacht, Gebirge und lange Legs.
Quellverweise:
Fliegermagazin