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Flugmedizin im Wandel – Warum Privatpiloten dringend entlastet werden müssen

Zuletzt aktualisiert am 16. November 2025
Die flugmedizinischen Anforderungen für Privatpiloten geraten weltweit in Bewegung. Während Länder wie Großbritannien und die USA ihre Regelwerke modernisieren und stärker auf Eigenverantwortung setzen, kämpft Deutschland weiterhin mit starren Vorgaben, langsamen Behörden und überlasteten Strukturen. Die Folgen reichen von unnötigem Stress für Piloten über regionale Versorgungslücken bis hin zu einer zunehmenden Abwanderung von Lizenzen ins Ausland. Dieser Artikel beleuchtet detailliert, warum das bestehende System nicht mehr zeitgemäß ist, welche internationalen Modelle als Vorbild dienen könnten und wo in Deutschland und Europa dringend Reformbedarf besteht.

Unter Privatpiloten und ihren Verbänden herrscht seit Jahren Einigkeit: Das flugmedizinische System ist in seiner derzeitigen Form überholt. Es basiert noch immer auf Grundannahmen, die aus der militärischen Flugmedizin des frühen 20. Jahrhunderts stammen und später von der ICAO übernommen wurden. Diese Richtlinien sind für Berufspiloten in vielen Teilen sinnvoll, für Privatpiloten jedoch zu streng und nicht an das tatsächliche, sehr geringe medizinische Risiko angepasst.

Privatpiloten müssen abhängig vom Alter alle fünf, zwei oder sogar jedes Jahr zur medizinischen Untersuchung. Besonders ältere Piloten erleben diese Termine häufig mit erheblichem Stress, da die Konsequenzen gravierend sein können: Monate des Wartens oder sogar der Verlust des Medicals, selbst wenn sie sich im Alltag gesund fühlen und problemlos Auto fahren können.

Veraltete Grundlagen – und fehlende Anpassungen an moderne Erkenntnisse

Das heutige System ignoriert vielfach die modernen medizinischen Erkenntnisse zum Risiko einzelner Erkrankungen im Flugbetrieb. Internationale Studien zeigen seit Jahren, dass medizinische Ursachen für Unfälle in der allgemeinen Luftfahrt äußerst selten sind. Dennoch bleibt das europäische System stark formalistisch und lässt Ärzten kaum Entscheidungsfreiräume. Diese Entwicklung führt dazu, dass individuelle medizinische Einschätzungen zugunsten von starren Vorgaben an Bedeutung verlieren.

Internationale Entwicklungen – Großbritannien und die USA modernisieren ihre Systeme

Während Europa verharrt, haben viele Länder die Zeichen der Zeit erkannt.

Großbritannien: Medical Self-Declaration

Für nationale Lizenzen existiert dort die „Pilot Medical Declaration“. Über eine Online-Plattform können Piloten eigenständig ihre Flugtauglichkeit erklären, ohne einen Flugmediziner aufsuchen zu müssen. Nur bei internationalen Flügen oder spezifischen Erkrankungen ist weiterhin ein Medical erforderlich. Das System gilt als effizient, sicher und stark entbürokratisierend.

USA: BasicMed als Erfolgsmodell

Die FAA hat mit „BasicMed“ ein vielbeachtetes Modell geschaffen. Es setzt auf Eigenverantwortung und eine Untersuchung durch einen normalen Hausarzt. Das Medical gilt für Flugzeuge bis 5.700 kg und bis zu sechs Insassen – auch IFR. Über 80.000 Piloten nutzen das System bereits, ohne dass die Sicherheit darunter gelitten hätte. Die USA zeigen: Weniger Bürokratie heißt nicht weniger Sicherheit.

Deutschland: Ein System am Limit

Während internationale Modelle vereinfachen, wird das Verfahren in Deutschland zunehmend komplexer.

Ein massiver Rückgang an Flugmedizinern

Vor einigen Jahren gab es noch etwa 500 Flugmediziner in Deutschland, heute sind es weniger als 300. Gründe sind:

  • gestiegene Dokumentationspflichten
  • geringere Entscheidungsfreiheiten
  • intensive Nachprüfungen durch das LBA
  • hoher administrativer Aufwand

Viele Ärzte geben frustriert auf, was zu regionalen Versorgungslücken führt – ein Problem, das es in kaum einem anderen EASA-Staat gibt.

Strukturelle Probleme im LBA

Das Luftfahrt-Bundesamt steht im Zentrum vieler Beschwerden. Piloten berichten über:

  • monatelange Bearbeitungszeiten
  • fehlerhafte medizinische Bewertungen
  • unklare Entscheidungsprozesse
  • Überlastung und fehlende Fachkompetenz
  • stark schwankende Qualität zwischen einzelnen Sachbearbeitern

Mehrere Piloten sehen keinen anderen Weg, als vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig zu klagen – ein Vorgang, der mittlerweile fast schon systemisch wirkt.

Warum funktioniert das BAF – aber nicht das LBA?

Ein Blick zum Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung zeigt, dass effiziente Prozesse möglich sind. Das BAF ist für die medizinische Tauglichkeit der Fluglotsen zuständig und arbeitet:

  • schnell
  • professionell
  • stabil
  • serviceorientiert

Im Gegensatz zum LBA sind dort weder Überlastung noch systemische Fehler bekannt. Das wirft die berechtigte Frage auf, warum ein ähnliches Organisationsmodell nicht auch für die Privatfliegerei übernommen wird.

Abwanderung ins Ausland – ein Symptom des Systemversagens

Die Probleme im deutschen System haben Folgen: Monatlich lassen etwa 50 deutsche Privatpiloten ihre Lizenzen ins Ausland übertragen. Besonders beliebt ist die Austro Control in Österreich, die als effizient und serviceorientiert gilt. Verbände sprechen inzwischen offen von einem erheblichen Standortnachteil.

Bewegung auf europäischer Ebene

Die EASA nimmt das Thema mittlerweile ernst. Während die ICAO derzeit keine zeitnahe Reform anstrebt, sammelt die EASA aktiv Vorschläge aus der Branche. Diskutiert werden u. a.:

  • eine stärkere Rolle der Eigenverantwortung
  • vereinfachte Medical-Verfahren
  • modernisierte Risikobewertung speziell für Privatpiloten
  • digitalisierte Prozesse
  • Orientierung an internationalen Modellen

Konkrete Schritte stehen zwar noch aus, doch der Reformwille wächst.

Fazit

Das flugmedizinische System für Privatpiloten steckt in Deutschland in einer tiefen Krise. Überholte Vorgaben, überlastete Behörden und mangelnde Handlungsspielräume für Ärzte führen zu unnötiger Belastung und wachsender Frustration. Internationale Beispiele zeigen, wie ein modernes, risikoangemessenes und effizienteres System aussehen kann. Europa – und insbesondere Deutschland – stehen jetzt in der Verantwortung, diesen Modernisierungsschub endlich umzusetzen.


Quellverweise:
AOPA

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