Hintergrund: Warum neue Vorschriften notwendig sind
Motorschirme und ihre Trike-Varianten zählen zu den leichtesten motorisierten Luftfahrzeugen überhaupt. Sie erfreuen sich wachsender Beliebtheit – sowohl bei Einsteigern als auch bei erfahrenen Luftsportlern, die das fliegerische Erlebnis mit minimaler Technik suchen. Gleichzeitig erfordert der zunehmende Einsatz moderner Materialien, Hybridantriebe und neuer Bauformen eine Anpassung der bestehenden Normen.
Die bisher gültigen Anforderungen stammten aus dem Jahr 2005. Die nun veröffentlichte Version berücksichtigt nicht nur neue technologische Entwicklungen, sondern auch europarechtliche Harmonisierung (z. B. durch die Verordnung (EU) 2018/1139) und gibt Herstellern, Prüfinstitutionen und Piloten mehr Klarheit bei der Bewertung und Zulassung ihrer Geräte.
Aufbau der neuen Lufttüchtigkeitsforderungen
Die neuen Vorschriften gliedern sich in zwei zentrale Teile:
- Teil A – Allgemeiner Teil:
Enthält grundsätzliche Bestimmungen, Begriffsdefinitionen, Gestaltungsvorgaben und Anforderungen an Betriebsanweisungen. - Teil B – Besonderer Teil:
Detailliert die technischen Nachweise für Bauteile wie Tragwerke, Gurtzeuge, Triebwerke, Rettungssysteme, Hybridantriebe und Sicherheitsausstattungen. Enthalten sind auch Konformitäts- und Kompatibilitätsnachweise.
Ein Änderungsverzeichnis dokumentiert konkret, was sich gegenüber der vorherigen Fassung verändert hat – zum Beispiel die pauschale Berücksichtigung von 15 kg für Rettungssysteme bei Einsitzern.
Technische Kernforderungen im Überblick
1. Definition und Kategorisierung
Es wird klar zwischen drei Typen unterschieden:
- Kategorie 2.1: Gleitschirm mit Motor (kombinierter Betrieb)
- Flächenlast frei wählbar
- Zusätzlich zur klassischen Gleitschirmprüfung erfolgt eine ergänzende Prüfung des Antriebs
- Kombination von Antrieb / Schirm / Gurtzeug muss nachgewiesen werden
- Kategorie 2.2: Motorschirm (reiner Motorbetrieb)
- Flächenlast > 4,5 kg/m²
- Kein unmotorisierter Betrieb zulässig
- Vollständige Musterprüfung für alle Komponenten erforderlich
- Kategorie 2.3: Motorschirm-Trike (mit Fahrwerk)
- Flächenlast > 6 kg/m²
- Nur in Verbindung mit einem Trike zugelassen
- Unterschiedliche Anforderungen je nach Zulassungspflicht (LuftVZO §1 Abs. 1 Ziff. 7 vs. §1 Abs. 4)
2. Kombinationsnachweis
Ein zentrales Element ist die Prüfung der Lufttüchtigkeit der Kombination von:
- Tragwerk (Gleitschirm oder Flügel)
- Antriebseinheit
- Gurtzeug (mit Anlenkpunkten)
Dabei müssen Parameter wie Flugverhalten, Schwerpunktlage, Masseverteilung, Gurtabstände und Notfallverhalten dokumentiert werden. Hersteller können entweder eine vollständige Musterprüfung durchführen oder die Lufttüchtigkeit durch kompatible Einzelprüfungen und Herstellererklärungen belegen.
3. Antriebseinheit und Rettungssystem
Besondere Anforderungen betreffen:
- Festigkeit und Vibrationsverhalten der Antriebseinheit
- Einbau und Nachweis eines geeigneten Rettungssystems, das nicht nur verfügbar, sondern auch wirksam ist – auch bei asymmetrischer Lastverteilung oder bei Trikes
- Hybridantriebe erhalten eigene Prüfpfade und Konformitätsrichtlinien
4. Sicherheitsanforderungen
Neben der technischen Tauglichkeit spielen auch Betriebsanweisungen, Checklisten, Warnmarkierungen, Notabschalteinrichtungen und der Zugriff auf sicherheitsrelevante Informationen eine zentrale Rolle.
Europäische Einordnung und Informationspflichten
Die Veröffentlichung erfolgt gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535. Diese regelt das Informationsverfahren für neue technische Vorschriften innerhalb der EU und stellt sicher, dass es keine Handelshemmnisse gibt. Die Anforderungen wurden in das deutsche Luftrecht eingebettet, sind aber in ihren Kernelementen auch für andere EASA-Mitgliedsstaaten nachvollziehbar.
Was bedeutet das für Hersteller und Piloten?
Für Hersteller:
- Neue Musterzulassungen müssen auf Basis der aktualisierten Forderungen erfolgen
- Bereits zertifizierte Systeme sind von der Änderung nicht automatisch betroffen, bei Änderungen kann jedoch eine Neubeurteilung erforderlich sein
- Kombinationen aus bestehenden Komponenten müssen durch Nachweise ergänzt werden
Für Piloten:
- Beim Kauf oder Umbau eines Motorschirms ist künftig verstärkt auf die Konformität der Einzelkomponenten zu achten
- Die neuen Anforderungen erhöhen die Flugsicherheit, aber auch die Dokumentationspflicht
- Schulungsanbieter sollten ihre Unterlagen anpassen und über neue Kategorien und Definitionen aufklären
Fazit
Mit der neuen Lufttüchtigkeitsforderung für Motorschirme und Trikes bringt das Luftfahrt-Bundesamt die regulatorische Grundlage für diese Luftsportgeräte auf einen modernen Stand. Die Anforderungen fördern die Sicherheit, schaffen Transparenz für Hersteller und bieten Pilotinnen und Piloten einen soliden technischen Rahmen – ohne die Flexibilität dieser einfachen, aber faszinierenden Fluggeräte zu stark einzuschränken.
Quellverweise:
NFL (der Link erfordert ein Abo bei Eisenschmidt)