Pilot-Hub News

Intersection Take-off: Effizient starten – aber mit Bedacht

Zuletzt aktualisiert am 23. Mai 2025
In der allgemeinen Luftfahrt wird der Start von einer Pistenkreuzung – einem sogenannten Intersection Take-off – immer häufiger genutzt. Was zunächst nur nach Zeitersparnis klingt, ist tatsächlich ein komplexes Zusammenspiel aus Effizienz, Sicherheit, Kommunikation und Flugbetrieb. Piloten sollten die Vorteile und Risiken gut abwägen, bevor sie auf Startbahnlänge verzichten.

Das Prinzip: Start von der Kreuzung

Ein Intersection Take-off bezeichnet den Start von einer Queranbindung der Piste, also nicht vom Anfang der Startbahn, sondern ab einer Einmündung – typischerweise einer Rollbahn, die quer zur Piste verläuft. Das spart Rollzeit und kann den Flugverkehr effizienter gestalten, insbesondere an großen Verkehrsflughäfen. Doch mit dem verkürzten Weg zur Startposition geht auch eine reduzierte Startstrecke einher.

Bis vor kurzem galt für Piloten von Kleinflugzeugen in Deutschland und vielen anderen Ländern, dass sie explizit zustimmen mussten, wenn der Tower ihnen einen Start von einer Kreuzung anbot. Diese Prozedur wurde nun vereinfacht: Für Flugzeuge unter 2000 kg MTOM (Maximum Take-Off Mass) darf der Lotse den Intersection Take-off direkt zuweisen – außer der Pilot fordert ausdrücklich die volle Bahnlänge an, woraufhin der Tower nicht ablehnen darf.

Sicherheit zuerst: Warum mehr Startbahn nie schadet

In der Luftfahrt gibt es den geflügelten Ausdruck: „Die nutzloseste Piste ist die hinter dir.“ Das bedeutet, dass ungenutzte Startbahnlänge nicht zur Verfügung steht, wenn beim Start etwas schiefläuft. Tatsächlich erhöht eine längere Startstrecke den Handlungsspielraum deutlich:

  • Mehr Zeit und Strecke bei unerwarteten Zwischenfällen wie Leistungsverlust
  • Sichere Entscheidung über einen Startabbruch (70/50-Regel)
  • Höhere Endgeschwindigkeit vor dem Abheben, was die Steigleistung verbessern kann

Gerade bei kurzen Bahnen ist es riskant, nicht die gesamte Länge auszunutzen. Der klassische „Backtrack“ – das Zurückrollen bis zum Bahnende – kostet zwar Zeit, kann im Ernstfall aber entscheidend sein.

Effizienz für große Plätze: Intersection-Take-offs im Linienverkehr

An großen Flughäfen wie Paris Charles de Gaulle, Frankfurt oder München sind Intersection Take-offs fester Bestandteil der Ablaufplanung. Die Towerlotsen nutzen mehrere Rollweg-Einmündungen entlang der Bahn, um eine feingliedrige Taktung im Abflug zu ermöglichen. So lassen sich Maschinen mit verschiedenen Abflugstrecken, Steigprofilen und Geschwindigkeiten besser staffeln.

Besonders relevant wird das bei gemischtem Verkehr: Zwischen schnellen IFR-Airlinern und langsameren VFR-Flugzeugen wie Motorseglern oder Schulungsmaschinen müssen häufig Zwischenräume geschaffen werden. Intersection Take-offs ermöglichen hier das gezielte Einfädeln von Kleinflugzeugen in den Verkehrsfluss.

Praktische Vorteile für die Allgemeine Luftfahrt

Für Piloten von Einmotorigen oder leichten Zweimots bringt der Intersection Take-off praktische Vorteile:

  • Zeitersparnis beim Rollen
  • Vermeidung von Jetblast-Zonen hinter Airlinern
  • Möglichkeit, kleine Startlücken zu nutzen
  • Geringeres Risiko, in Warteschleifen zu geraten

Allerdings kann auch das Gegenteil der Fall sein: Wer auf die volle Bahn besteht, muss in stark frequentierten Phasen möglicherweise so lange warten, bis alle größeren Maschinen abgefertigt wurden – und verliert wertvolle Zeit. Im Extremfall kann das bedeuten, dass ein Ziel nicht mehr vor Sunset erreicht wird oder der Zielflugplatz geschlossen ist.

Was sagt die Technik?

Flugzeuge haben in den Betriebshandbüchern (AFM/POH) klar definierte Startstrecken bei verschiedenen Bedingungen. Intersection Take-offs verkürzen diese Reserven. Selbst wenn noch 2.000 Meter verbleiben, ist es entscheidend, ob das eigene Muster damit auch bei maximalem Abfluggewicht, hoher Dichtehöhe und Seitenwind sicher starten kann. Noch wichtiger ist die Frage nach der Stoppstrecke bei Startabbruch: In niedriger Höhe verbleibt oft kein ausreichender Spielraum für eine sichere Landung, selbst wenn die Bahn lang erscheint.

Auch die sogenannte „RTO-Entscheidung“ (Rejected Take-off) muss frühzeitig getroffen werden – etwa wenn bei 50 Prozent der Startstrecke noch nicht 70 Prozent der Abhebegeschwindigkeit erreicht wurden.

Risiken: Runway Incursions und Missverständnisse

Intersection Take-offs bergen auch ein gewisses Risiko für Runway Incursions – das unerlaubte Befahren einer aktiven Startbahn. Besonders bei größeren Plätzen mit parallelen oder mehrfach verschränkten Rollwegen kann es zu Missverständnissen kommen. Historische Unfälle wie jener auf dem Flughafen Charles de Gaulle im Jahr 2000 zeigen, dass Sprachbarrieren, Funkmissverständnisse und Ablenkung tragische Folgen haben können.

Daher ist es wichtig:

  • Funkdisziplin und aktives Zuhören
  • Korrekte Rückmeldung von Freigaben
  • Blickkontakt mit anfliegenden Maschinen
  • Bewusstsein für die Sichtlinien an Kreuzungspunkten

Wirbelschleppen – das unsichtbare Risiko

Besonders bei Windstille oder wenig Wind sind Wirbelschleppen ein ernstzunehmender Faktor. Wenn ein Airliner kurz zuvor abgehoben hat, können sich seine Turbulenzen noch mehrere Minuten lang halten – und kleine Maschinen gefährden. Deshalb ist ein Mindestabstand von 2–3 Minuten ratsam, auch wenn der Tower bereits eine Freigabe erteilt. Piloten sollten das aktiv einfordern und z. B. bei Funkübergabe ankündigen („request 3 minutes behind heavy departure“).

Fazit: Intersection Take-off – eine Entscheidung mit Verantwortung

Intersection Take-offs sind ein effizientes und sinnvolles Instrument der modernen Luftfahrt, sofern sie bewusst und verantwortungsvoll eingesetzt werden. Sie bieten mehr Flexibilität im Flugbetrieb und entlasten den Verkehrsfluss – können aber bei Nachlässigkeit schnell sicherheitskritisch werden. Für Piloten gilt: Eine genaue Kenntnis der Startleistungsdaten, ein wacher Blick auf Wetter, Verkehr und Infrastruktur sowie eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten sind unverzichtbar.

Denn so nützlich jede Minute Zeitgewinn sein mag – keine ist es wert, die Sicherheit aufs Spiel zu setzen.


Quellverweise:
Fliegermagazin

Noch kein Mitglied? Jetzt registrieren: