Gebirgsflüge – eine Herausforderung für Mensch und Maschine
Die Alpen und andere Gebirge üben auf viele Fliegerinnen und Flieger eine große Faszination aus. Die imposante Landschaft, Thermikquellen und die Möglichkeit, lange Strecken mit Segel- oder Motorflugzeug zurückzulegen, machen den Reiz aus. Gleichzeitig steigt aber auch die Komplexität:
- Vielfältiger Verkehr: Segelflieger, Motorflugzeuge, Helikopter und Gleitschirme teilen sich oft denselben Luftraum.
- Begrenzte Lufträume: Eng gefasste Sektoren, Kontrollzonen und komplexe Routenführung erfordern präzise Flugplanung.
- Turbulenzen und Windsysteme: Fallwinde, Leewellen und Rotoren können unerwartet auftreten.
Ein gründliches Briefing vor dem Start ist daher Pflicht. Wer seine Route sorgfältig vorbereitet, behält im Flug mehr Kapazitäten für Navigation und Luftraumbeobachtung.
Flugtaktik in den Bergen
Im Gebirge gelten andere Gesetze als im Flachland. Folgende Grundsätze sind essenziell:
- Taleinflug nur mit ausreichender Höhe: Am Eingang eines Tals sollte man mindestens 1.000 Fuß, bei Wind besser 2.000 Fuß über dem Passniveau liegen. So bleibt genügend Reserve für unvorhergesehene Abwinde.
- Seitlich fliegen statt in der Mitte: Wer an einer Talseite entlang fliegt, kann jederzeit eine Umkehrkurve einleiten. Dabei ist die rechte Seite üblich – es sei denn, dort treten Abwinde auf. In diesem Fall wird die linke Seite genutzt, was aber höchste Aufmerksamkeit wegen Gegenverkehr erfordert.
- Passüberquerung im 45-Grad-Winkel: So lässt sich bei unerwarteten Abwinden leichter zurück ins Tal ausweichen. Variometer und Höhenmesser sind währenddessen ständig im Blick – sinkt die Höhe unerwartet ab, ist ein erneuter Anlauf die sicherere Option.
Density Altitude – warum Höhe nicht gleich Höhe ist
An heißen Sommertagen reduziert die geringere Luftdichte den Auftrieb und die Motorleistung. Der Begriff Density Altitude (Dichtehöhe) beschreibt, wie hoch sich das Flugzeug aus Sicht der Aerodynamik tatsächlich befindet. Schon bei 30 °C und mittlerer Höhe kann die effektive Dichtehöhe mehrere tausend Fuß über dem Platzniveau liegen.
Die Folgen sind gravierend:
- Verlängerte Startstrecke: Das Flugzeug hebt später ab.
- Schlechtere Steigrate: Hindernisse wie Bäume oder Stromleitungen können kritisch werden.
- Verändertes Steuerverhalten: Vor allem bei der Landung wirken Ruder träger, da der Flügel bei dünner Luft weniger Auftrieb produziert. Eine höhere Anfluggeschwindigkeit wird nötig, um denselben Sicherheitsabstand zum Strömungsabriss zu wahren.
Gerade in alpinem Gelände kann die schlechte Steigleistung beim Überqueren von Pässen oder Gebirgszügen zur Gefahr werden. Eine exakte Berechnung der Start- und Steigleistung gehört deshalb zwingend zur Flugvorbereitung.
Thermik und Warmluftturbulenzen
Sommerliche Thermik ist für Segelflieger eine Freude, für Motorflugzeuge aber oft eine Herausforderung. Die ungleichmäßige Erwärmung des Bodens – durch Asphaltflächen, Felder oder Felsen – führt zu aufsteigenden Warmluftblasen. Diese lösen sich oft plötzlich und können im Anflug kritische Turbulenzen verursachen.
Besonders im Short Final sind Warmluftturbulenzen gefährlich. Das Flugzeug ist langsam, die Energiereserven gering, und es bleibt kaum Zeit zum Ausgleichen. Plötzliche Böen können zu Durchsackern oder unkontrollierten Bewegungen führen.
Tipps zur Minimierung des Risikos:
- Flüge in die Morgen- oder Abendstunden legen, wenn die Thermik schwächer ist.
- Bei stark thermischen Bedingungen die Anfluggeschwindigkeit leicht erhöhen, um eine Sicherheitsreserve gegen Abreißen zu haben.
- Nach Möglichkeit Pisten wählen, die eine freie Anströmung ohne störende Hitzequellen bieten.
Good Airmanship in der Praxis
Die Erfahrung zeigt: Viele Unfälle geschehen nicht wegen technischer Defekte, sondern durch Fehleinschätzungen der Piloten. Selbst Einheimische, die ihre Region gut kennen, können in kritische Situationen geraten.
Gute fliegerische Praxis bedeutet daher:
- Wetter, Gelände und Performance nie unterschätzen.
- Alternativen einplanen und rechtzeitig Entscheidungen treffen.
- Sich auch im Sommer nicht scheuen, einen Flug abzusagen, wenn die Bedingungen zu anspruchsvoll erscheinen.
Fazit: Vorbereitung ist alles
Sommerliche Hitze und alpines Gelände sind eine faszinierende, aber gefährliche Kombination. Wer die physikalischen Grundlagen berücksichtigt, seine Taktik anpasst und aufmerksam fliegt, kann sicher von den besonderen Reizen profitieren. Fliegen in den Bergen erfordert Respekt, Disziplin und eine gute Portion Demut vor den Naturkräften. Wer diese Prinzipien beherzigt, wird reich belohnt – mit unvergesslichen Eindrücken über einer der schönsten Landschaften Europas.
Quellverweise:
Staysafe.aero