Vom Experiment zur Marktreife?
Noch vor wenigen Jahren waren Passagierdrohnen ein Szenario für Science-Fiction-Filme. Heute investieren Autohersteller, Luftfahrtkonzerne und selbst Militärs Milliardenbeträge in die Technologie. Unternehmen wie Joby Aviation, Archer Aviation, Wisk Aero, Volocopter und EHang haben bereits fortgeschrittene Prototypen entwickelt. Erste autonome Flüge mit Passagieren finden in China statt, wo EHang 2023 als weltweit erstes Unternehmen eine behördliche Zulassung für bemannte Drohnen erhielt.
Besonders die eVTOL-Kategorie hat sich als Standardbegriff etabliert. Diese elektrisch angetriebenen, senkrecht startenden und landenden Fluggeräte sollen emissionsarm, leise und kostengünstig sein. Ihr langfristiges Ziel: den urbanen Individualverkehr revolutionieren und Helikopterflüge teilweise ersetzen.
Unterschiedliche technische Konzepte
Die Hersteller verfolgen verschiedene Ansätze:
- Multicopter: Einfacher Aufbau mit mehreren Rotoren, aber begrenzte Reichweite und Geschwindigkeit.
- Vectored Thrust und Tilt Duct: Schwenkbare Triebwerke ermöglichen effizienten Vorwärtsflug, erfordern aber komplexe Steuerungen.
- Lift & Cruise: Kombination aus Hubpropellern für Start und Landung mit separaten Antrieben für den Reiseflug.
- Transwing: Tragflächen schwenken komplett für die jeweilige Flugphase.
Innovative Antriebskonzepte wie Wasserstoff-Brennstoffzellen sollen künftig größere Reichweiten ermöglichen. Das US-Unternehmen Joby testet bereits Drohnen mit über 800 Kilometern Reichweite, während Rolls-Royce an hybriden Gasturbinen arbeitet.
Europa zwischen Regulierung und Innovation
Während Länder wie China, Singapur oder die Vereinigten Arabischen Emirate aktiv auf schnelle Zulassungen drängen, sind die Anforderungen in Europa deutlich höher. Die EASA arbeitet am Rechtsrahmen für die »Innovative Air Mobility«, doch verbindliche Standards für Betrieb, Sicherheit und Infrastruktur lassen noch auf sich warten.
Deutschland spielt technologisch zwar mit – etwa mit Volocopter, der bei den Olympischen Spielen in Paris Demoflüge absolvierte –, doch regulatorische Hürden und Sicherheitsanforderungen verzögern den Markteintritt. Lilium, einst als Hoffnungsträger gestartet, musste 2024 sogar Insolvenz anmelden.
U-Space: Ein neuer Luftraum für Drohnen
Ein zentrales Thema für die Integration von Passagierdrohnen in den Luftverkehr ist der geplante U-Space. Dabei handelt es sich um spezielle Luftraumstrukturen, in denen bemannte und unbemannte Fluggeräte gemeinsam operieren. Künftig sollen alle Teilnehmer elektronisch erkennbar sein, um sichere Abstände und Kollisionsvermeidung zu gewährleisten.
Die NASA experimentiert bereits mit Digital Flight Rules (DFR), einer neuen Kategorie von Flugregeln, die speziell für automatisierte und digitale Flugoperationen entwickelt wird.
Infrastruktur und Akzeptanz
Die Betreiber setzen auf Vertiports, kleine Start- und Landeplätze auf Hochhäusern oder in Stadtnähe. Sie sollen kurze Flüge – beispielsweise zwischen Flughäfen und Innenstadtbereichen – ermöglichen. Ob Passagiere jedoch bereit sind, vollkommen autonome Drohnen ohne Piloten zu nutzen, ist eine offene Frage. Erste Konzepte sehen daher ferngesteuerte Operationen mit Bodenpiloten und Notfallsystemen wie Gesamtrettungs-Fallschirmen vor.
Perspektiven für die Allgemeine Luftfahrt
Für Privatpiloten stellt sich die Frage, ob bemannte Drohnen künftig auch für den Freizeitbereich verfügbar sein werden. Denkbar sind spezielle Lufträume und Lizenzmodelle, ähnlich wie heute beim Kunstflug oder Segelflug. Gleichzeitig könnten U-Space-Strukturen die Bewegungsfreiheit traditioneller GA-Piloten einschränken, da elektronische Sichtbarkeit und digitale Freigaben zur Pflicht würden.
Ausblick
Bis 2030 soll der Regelbetrieb für bemannte Drohnen in vielen Ländern Realität werden. Während asiatische Staaten und die Golfregion stark investieren, bleibt Europa vorsichtiger. Wahrscheinlich ist, dass sich Passagierdrohnen zunächst als luxuriöse Shuttle-Dienste etablieren – eine leise, flexible und klimafreundlichere Alternative zum Helikopter. Für Langstrecken und den Massenmarkt sind jedoch weitere technologische Durchbrüche bei Antrieb, Infrastruktur und Regulierung erforderlich.
Quellverweise:
Fliegermagazin