Ein neues Instrument zur Flexibilisierung des Luftraums
Die deutsche Luftraumstruktur steht seit einigen Jahren unter Druck: dichter IFR-Verkehr an großen und mittleren Verkehrsflughäfen, wachsende Luftsportaktivitäten und die zunehmende Nutzung von Drohnen erfordern flexible Lösungen. Mit den neu eingeführten VFR-Sektoren innerhalb der Lufträume C und D reagiert das Bundesministerium für Verkehr auf diese Anforderungen.
Aus bestimmten Bereichen dieser kontrollierten Lufträume können künftig zeitweise Sektoren herausgelöst werden, in denen Flüge nach Sichtflugregeln unter festgelegten Sonderbedingungen möglich sind. Eine solche Herausnahme schafft Raum für spezielle VFR-Aktivitäten, ohne den regulären Kontrollzonenbetrieb dauerhaft einzuschränken.
Charakteristik der neuen Sektoren
Aktivierung nach Bedarf
Die Sektoren sind nicht permanent eingerichtet, sondern werden nur aktiviert, wenn sie benötigt werden. Das kann sowohl für einzelne Tage als auch für längere Zeiträume erfolgen – je nach Art der Operationen und lokalen Gegebenheiten.
Rückfall auf den Hintergrundluftraum
Ist ein solcher Sektor aktiv, gilt darin die Luftraumklassifizierung des zugrunde liegenden Luftraums E oder G. Damit werden die Kontrollanforderungen des Luftraums C oder D für diesen Bereich zeitweise ausgesetzt. Zusätzlich können spezifische Regeln festgelegt werden, etwa:
- Meldepunkte oder Pflichtmeldungen
- Höhen- oder Streckenbegrenzungen
- Betriebsvorschriften für Flugschulen oder Vereine
- Luftraumfreigaben für Veranstaltungen oder saisonale Aktivitäten
Zwei Wege zur Festlegung
Diese Sektoren können auf zwei Wegen entstehen:
- Bundesweite Festlegung:
Das Ministerium definiert sektorbezogene Regeln, die anschließend über die Nachrichten für Luftfahrer veröffentlicht werden. - Örtliche Betriebsabsprachen:
Die jeweils zuständige Flugsicherungsorganisation – meist die DFS – trifft Vereinbarungen mit den Luftraumnutzern vor Ort. Dieses Modell ist besonders geeignet für wiederkehrende lokale Aktivitäten, etwa Flugbetrieb von Vereinen, Flugtagen oder besonderen Ausbildungsformen.
Schutz des IFR-Verkehrs – eine zentrale Aufgabe
Da die Sektoren aus Kontrollzonen herausgelöst werden, ist ein zentrales Anliegen der neuen Regelung die Sicherheit des IFR-Verkehrs. Die Flugsicherungsorganisation ist verpflichtet, IFR-Flüge so zu führen, dass ausreichend laterale und vertikale Abstände zu den aktiven VFR-Sektoren bestehen.
Diese Vorgabe knüpft unmittelbar an die zeitgleich veröffentlichte Bekanntmachung über die vertikalen Abstände kontrollierter Flüge zu Luftraumgrenzen an, in der die DFS standardisierte Sicherheitsmargen – typischerweise 500 Fuß – für IFR-Flüge im Übergangsbereich definiert hat.
Durch diese Kombination wird sichergestellt, dass:
- IFR-Flüge niemals unbeabsichtigt in die Sondersektoren eindringen,
- VFR-Aktivitäten keinen Einfluss auf die gestaffelten IFR-Routen nehmen,
- die Gesamtstruktur des Luftraums transparent und sicher bleibt.
Anwendungsbereiche der neuen Sektoren
Die neuen VFR-Sektoren sind besonders relevant für Luftsport und besondere Betriebsformen. Typische Anwendungen sind:
Segelflug und Wellenflug
In einigen Regionen steigen Segelflugsektoren bis nahe an kontrollierte Luftraumgrenzen heran. Temporär freigegebene Sektoren ermöglichen hier zusätzliche Höhen oder räumliche Ausweitung.
Fallschirmsprungbetrieb
Sprungzonen liegen häufig im Umfeld kontrollierter Plätze. Zeitweise freigegebene Bereiche erleichtern Koordination und erhöhen Pufferzonen.
Luftfahrtveranstaltungen
Flugtagen, Wettbewerben oder Formationsflügen kann ein klar begrenzter VFR-Sektor zugewiesen werden, ohne den regulären Kontrollzonenbetrieb komplett zu stören.
Schulungsbetrieb und Platzrunden
Einige Flugschulen profitieren von temporären Sektoren, die Platzrunden oder Trainingsmanöver unter vereinfachten Bedingungen ermöglichen.
Spezielle VFR-Flüge nach Sonderregelungen
Dazu gehören etwa Foto- oder Beobachtungsflüge, Rettungseinsätze unter VFR oder behördliche Überflüge.
Auswirkungen für Pilotinnen und Piloten
Für die allgemeine Luftfahrt ergeben sich mehrere praktische Konsequenzen:
- VFR-Pilotinnen und -Piloten müssen künftig verstärkt auf aktivierte Sektoren achten, die innerhalb kontrollierter Lufträume liegen können.
- Pre-Flight-Briefings gewinnen an Bedeutung, da Aktivierungszeiten und Regeln der Sektoren variieren können.
- Flugschulen und Vereine erhalten neue Möglichkeiten, ihren Betrieb flexibler zu gestalten.
- IFR-Piloten sollten sich der Existenz dieser Sektoren bewusst sein, auch wenn ihre Führung durch ATC automatisch erfolgt.
Insgesamt sorgt die Maßnahme für mehr Transparenz und entlastet gleichzeitig die Kontrollzonen, da bestimmte lokale Flüge nicht mehr zwingend durch die Flugsicherung freigegeben werden müssen.
Einordnung in die zukünftige Luftraumentwicklung
Die Einführung temporärer Sondersektoren fügt sich in eine größere Trendbewegung ein: Deutschland macht seinen Luftraum flexibler und anpassungsfähiger. Neben klassischen Luftraumstrukturen gewinnen dynamische Elemente an Bedeutung – sowohl für den bemannten als auch für den unbemannten Luftverkehr.
Solche flexiblen Luftraumkonzepte entsprechen auch internationalen Entwicklungen, in denen zeitweise aktivierbare Segmente zunehmend üblich werden, um neue Nutzergruppen und Verkehrsformen zu integrieren.
Fazit
Mit der Einführung zeitweise aktivierbarer VFR-Sektoren innerhalb der Lufträume C und D schafft das Bundesministerium für Verkehr ein modernes und flexibles Instrument zur Entzerrung des Luftverkehrs. Die Maßnahme kommt insbesondere Luftsport und örtlichen Spezialbetrieben zugute, ohne die Sicherheit des IFR-Verkehrs zu beeinträchtigen.
Die allgemeine Luftfahrt profitiert von mehr Gestaltungsspielräumen und klar definierten Strukturen – ein Schritt, der den deutschen Luftraum zukunftsfähig macht und gleichzeitig die Vielfalt der fliegerischen Aktivitäten berücksichtigt.
Quellverweise:
NFL (der Link erfordert ein Abo bei Eisenschmidt)