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NFL 2025-1-3596 – Neue Regeln für Sichtabflüge unter IFR: Flexibilität mit klaren Grenzen

Zuletzt aktualisiert am 30. August 2025
Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung hat Ende August 2025 neue Vorgaben veröffentlicht, die die Voraussetzungen für Sichtabflüge nach Instrumentenflugregeln (IFR) definieren. Diese sogenannten Visual Departures sollen Piloten und Fluglotsen mehr Flexibilität geben, wenn standardisierte Instrumentenabflugverfahren nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Der Beitrag erläutert die Rahmenbedingungen, die Einschränkungen an großen Flughäfen und die Bedeutung für die allgemeine Luftfahrt.

Was sind Sichtabflüge nach IFR?

Sichtabflüge nach IFR sind IFR-Flüge, die unmittelbar nach dem Start – abweichend von den veröffentlichten Instrumentenabflugverfahren – unter Beibehaltung visueller Bodensicht durchgeführt werden. Diese Option bietet Piloten die Möglichkeit, flexibel auf Situationen zu reagieren, etwa wenn Navigationshilfen ausfallen oder Gewitterzellen den Standardabflug blockieren.

Ein solcher Abflug wird entweder vom Piloten beantragt oder auf Initiative des Fluglotsen angeboten. In beiden Fällen muss der Pilot die Freigabe ausdrücklich durch Rücklesen bestätigen.

Voraussetzungen für die Genehmigung

Damit ein Sichtabflug nach IFR genehmigt werden kann, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein:

  • Wetterbedingungen: Die Wolkenuntergrenze und die Bodensicht müssen so beschaffen sein, dass die Hindernisfreiheit bis mindestens zur veröffentlichten Sektormindesthöhe (MSA) gewährleistet bleibt.
  • Tageslicht: Die Regelung gilt ausschließlich tagsüber, um die visuelle Orientierung zu ermöglichen.
  • Verantwortung des Piloten: Der Pilot trägt die Verantwortung für die Hindernisfreiheit bis zur festgelegten Höhe. Erst danach übernimmt die Flugsicherung die Staffelung.
  • ATC-Staffelung: Die Flugverkehrskontrollstelle muss sicherstellen, dass das Luftfahrzeug auch während eines Sichtabflugs gemäß der geltenden Luftraumklassifizierung von anderen Verkehrsteilnehmern getrennt wird.

Die Freigabe erfolgt entweder zusammen mit der Streckenfreigabe oder unmittelbar vor der Startfreigabe. Wenn möglich, stellt die Flugsicherung dabei auch aktuelle Wetterinformationen für den Abflugbereich bereit.

Allgemeine Anwendbarkeit und Ausnahmen

Grundsätzlich sind Sichtabflüge nach IFR an allen deutschen IFR-Flugplätzen zulässig. Allerdings gelten an einigen Verkehrsflughäfen Einschränkungen, die meist auf Lärmschutzbestimmungen oder Sicherheitsaspekte zurückgehen.

Zudem gibt es Ausnahmen, in denen ein Sichtabflug auch dann zulässig ist, wenn eigentlich Beschränkungen bestehen. Das betrifft etwa Situationen, in denen Navigationshilfen ungeplant ausfallen, wenn keine veröffentlichten Abflugverfahren verfügbar sind oder wenn akute Wettereinflüsse (z. B. Gewitterzellen) einen alternativen Abflugweg erforderlich machen.

Einschränkungen an großen Flughäfen

Für mehrere große Verkehrsflughäfen wurden konkrete Einschränkungen veröffentlicht. Beispiele:

  • Berlin Brandenburg (EDDB): Sichtabflüge nur für zweimotorige Propellerflugzeuge und die DHC-7.
  • Frankfurt/Main (EDDF) und München (EDDM): Nur für zweimotorige Propellerflugzeuge und die DHC-7.
  • Düsseldorf (EDDL), Dortmund (EDLW), Köln/Bonn (EDDK), Lübeck (EDHL), Mönchengladbach (EDLN), Weeze (EDLV), Stuttgart (EDDS): Sichtabflüge nur für Propellerflugzeuge bis 5,7 t MTOW.
  • Hannover (EDDV) und Münster/Osnabrück (EDDG): Erweiterte Regelungen, die auch bestimmte Strahlflugzeuge einschließen.
  • Saarbrücken (EDDR): Hier sind Sichtabflüge ohne Einschränkung für alle Luftfahrzeuge erlaubt.

Diese Regelungen zeigen, dass insbesondere stark frequentierte Flughäfen die Möglichkeit des Sichtabflugs bewusst einschränken, um Risiken im komplexen Mischbetrieb von IFR- und VFR-Verkehr zu minimieren.

Bedeutung für die allgemeine Luftfahrt

Für Piloten der allgemeinen Luftfahrt eröffnen die neuen Regeln zusätzliche Flexibilität. Gerade kleinere Propellerflugzeuge profitieren von der Möglichkeit, auch unter IFR-Bedingungen einen visuell unterstützten Abflug durchzuführen, wenn technische oder meteorologische Umstände dies erfordern.

Für Flugschulen und Geschäftsreiseflugzeuge im Propellersegment bedeutet dies eine bessere Planbarkeit und eine zusätzliche Handlungsoption in Ausnahmesituationen. Gleichzeitig unterstreicht die Regelung die Verantwortung des Piloten, die Hindernisfreiheit selbst sicherzustellen, bis die Mindesthöhe erreicht ist.

Fazit

Mit den neuen Vorgaben für Sichtabflüge unter IFR schafft das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung einen klaren Rechtsrahmen für ein Verfahren, das in der Praxis bisher nur eingeschränkt genutzt wurde. Während große Flughäfen mit hohen Verkehrsdichten das Verfahren stark einschränken, profitieren kleinere IFR-Flugzeuge und Regionalverkehre von mehr Handlungsspielraum.

Für die allgemeine Luftfahrt bedeutet dies: mehr Flexibilität – aber auch mehr Eigenverantwortung. Wer Sichtabflüge unter IFR nutzen möchte, muss die Wetterbedingungen, die Hindernissituation und die lokalen Beschränkungen genau kennen und entsprechend sorgfältig in die Flugvorbereitung einbeziehen.


Quellverweise:
NFL (der Link erfordert ein Abo bei Eisenschmidt)

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