Ein Social-Media-Post mit Sprengkraft
Als Nina Coppik, Juristin im Referat L6 des LBA, auf LinkedIn ihren Abschied aus der Behörde bekanntgab, ahnte sie vermutlich, welche Reaktionen folgen würden. Ihre Worte waren deutlich: Sie sprach von „schlechterdings untragbaren Zuständen“ und einer Entscheidung aus „Gewissensgründen“. Interne Versuche, die Missstände abzustellen, seien immer wieder gescheitert. Coppik hatte zuvor rund eineinhalb Jahre lang mit unzähligen Fällen zu tun, in denen Piloten durch flugmedizinische Entscheidungen des LBA gegroundet wurden.
Die Resonanz aus der Luftfahrt-Community ließ nicht lange auf sich warten. Vom ehemaligen DFS-Manager bis zum Boeing-Kapitän – zahlreiche Stimmen aus der Branche äußerten Verständnis und Zustimmung. Auch Ärzte meldeten sich zu Wort: Flugmediziner Dr. Stefan Reschke sprach von einer Verwaltungspraxis, die „mit ärztlicher Tätigkeit kaum noch etwas zu tun hat“ und längst ein Sicherheitsrisiko darstelle.
Alte Probleme – neue Eskalation
Die nun entfachte Diskussion ist nicht neu. Schon seit Jahren gilt Deutschland bei den Bearbeitungszeiten für Medicals als Schlusslicht unter den EASA-Mitgliedsstaaten. Während in anderen europäischen Ländern Entscheidungen oft innerhalb weniger Tage erfolgen, müssen Piloten hierzulande teils monatelang oder sogar jahrelang warten.
Als Ursachen werden genannt:
- Bürokratische Lähmung und Angst vor Fehlern: Entscheidungen erfolgen häufig nach Aktenlage, ohne persönliche Gespräche. Selbst geringe theoretische Risiken führen oft zu umfangreichen Nachforderungen und Gutachten.
- Missachtung gerichtlicher Anordnungen: Mehrfach soll das LBA trotz klarer Vorgaben aus der Justiz nicht zeitnah reagiert haben.
- Personalmangel als Dauerargument: Kritiker bezweifeln den Wahrheitsgehalt dieser Begründung. Die Zahl der täglich bearbeiteten Fälle sei überschaubar und ließe keine jahrelangen Verzögerungen rechtfertigen.
- Scheitern der Digitalisierung: Eine neue Software, die Abläufe beschleunigen sollte, entpuppte sich offenbar als ineffektiv.
Die Folge: Ein über Jahre gewachsenes System aus Misstrauen, Überlastung und technischen Rückschritten, das sowohl Piloten als auch die Sicherheit im Luftverkehr belastet.
Menschliche und wirtschaftliche Konsequenzen
Für Berufspiloten bedeutet der Entzug der flugmedizinischen Tauglichkeit oft den sofortigen Verdienstausfall. Besonders für Freelancer ist dies existenzbedrohend. Angestellte Piloten fallen auf Krankengeld zurück und verlieren erhebliche Einkünfte.
Privatpiloten trifft es emotional nicht weniger hart. Für viele ist die Fliegerei Lebensinhalt und Leidenschaft zugleich. Wird ihnen ohne nachvollziehbare Begründung die Lizenz entzogen, verlieren sie nicht nur ein Hobby, sondern oft auch einen zentralen Bestandteil ihrer Identität.
Jahre des Protests – und kaum Bewegung
Verbände wie AOPA, DAeC und DULV kritisieren die Zustände seit langem. Eine Petition mit fast 20.000 Unterschriften verhallte ebenso wie Gespräche mit der LBA-Leitung. Selbst politische Interventionen führten bislang nicht zu spürbaren Verbesserungen. Im Herbst 2024 äußerte die AOPA ernüchtert, dass Politik und Verwaltung offenbar die Kontrolle über die Behörde verloren hätten.
Ein System vor der Zeitenwende?
Die Kündigung von Nina Coppik ist mehr als nur ein persönlicher Schritt. Sie legt offen, dass sich im LBA über Jahre Strukturen verfestigt haben, die weder effizient noch bürgernah arbeiten. Für viele Beobachter ist klar: Ohne tiefgreifende Reformen droht die deutsche Flugmedizin weiter an Glaubwürdigkeit zu verlieren – mit potenziell gravierenden Folgen für die gesamte Luftfahrtbranche.
Ob die aktuelle Debatte zu echten Veränderungen führt, hängt nun von Politik, Behördenleitung und öffentlichem Druck ab. Sicher ist: So wie bisher kann es nicht weitergehen.
Quellverweise:
Flieger.News