Einführung
Das Fliegen im Gebirge ist eine der anspruchsvollsten Disziplinen der allgemeinen Luftfahrt. Es fordert Piloten sowohl physisch als auch psychisch heraus und verlangt ein tiefes Verständnis für die Besonderheiten dieser Umgebung. Man kann nicht einfach auf direktem Wege von A nach B fliegen, sondern muss die Geländegegebenheiten beachten. Insbesondere Notfallsituationen müssen anders bewertet werden, da es im Zweifel schwierig sein kann, ein geeignetes Gelände zur Landung zu finden.
Was bedeutet Fliegen im Gebirge? Gebirgsfliegen bezeichnet das Navigieren und Manövrieren eines Luftfahrzeugs in oder über gebirgigem Terrain, oft in Höhen von mehreren tausend Fuß über bergigem Gelände wie z.B. den Alpen. Die Hauptschwierigkeiten bestehen in:
- Dichtehöhe: In großer Höhe reduziert die dünnere Luft die Motorleistung, Tragflächenauftrieb und die Effizienz der Propeller.
- Hindernisse: In Bodennähe kann es Hindernisse geben die spezifisch für bergige Regionen sind und oft nicht gut zu erkennen sind, wie z.B. Liftseile, Seilbahnkabel oder Hochspannungsleitungen.
- Komplexes Wettergeschehen: Gebirgstypische Wetterphänomene wie starke Winde, plötzliche Wetterumschwünge und Turbulenzen.
- Eingeschränkte Performance: Flugzeuge müssen mit begrenzter Leistung starten, steigen und manövrieren.
- Spezielle Manöver: Fliegen in engen Pässen und das sichere Meistern von Auf- und Abwinden erfordern Erfahrung und spezifisches Training.
- Notlandungen: Im Falle eines Triebwerksausfalls oder anderer Probleme bietet das Terrain oft kaum Möglichkeiten für eine sichere Landung.
Das Fliegen im Gebirge erfordert nicht nur technisches Verständnis, sondern auch umfassende Planung und Vorbereitung.
Besonderheiten im Gebirge und entsprechende Vorbereitung
Wetter im Gebirge
Das Wetter spielt im Gebirgsflug eine zentrale Rolle. Typische Herausforderungen sind:
- Aufliegende Bewölkung: Wolken, die an Hängen und Gipfeln kleben, können plötzlich Sichtflugbedingungen (VFR) unmöglich machen. Dies sollte bei der Flugplanung berücksichtigt werden, da dies bedeuten kann, dass geplante Routen nicht geflogen werden können. Auch sollten die Wolken sehr genau studiert werden, wenn es um die Landung geht, da in den Bergen die Gefahr ohne Erdsicht mit dem Gelände zu kollidieren signifikant ist.
- Leegebiete: Auf der windabgewandten Seite von Bergen entstehen starke Abwinde und Turbulenzen, die Flugzeuge in Gefahr bringen können. Derartige Gebiete sollten besser großräumig umflogen werden.
- Rotorwinde: Diese entstehen oft hinter Bergkämmen und führen zu extremen Turbulenzen.
- Auf- und Abwinde: Vertikale Luftbewegungen können erhebliche Steig- oder Sinkraten verursachen, die es zu kontrollieren gilt.
Sauerstoffversorgung
In großen Höhen nimmt der Sauerstoffgehalt der Luft ab. Gemäß EASA-Vorschriften (Regulation (EU) No 965/2012) gilt:
- Sauerstoff ist erforderlich, wenn mehr als 30 Minuten über 10.000 Fuß geflogen wird.
- Sauerstoff ist permanent erforderlich ab 13.000 Fuß. Piloten sollten sicherstellen, dass ausreichend Sauerstoffsysteme vorhanden sind und diese korrekt funktionieren.
Notlandungen im Gebirge
Im Gebirge sind geeignete Notlandeplätze rar. Piloten sollten immer:
- Flächen identifizieren, die als Notlandeplatz geeignet sein könnten.
- Notfallrationen und Überlebensausrüstung an Bord haben. Hierzu zählen ausreichend Proviant, Erste-Hilfe-Set, warme Kleidung, Decken oder entsprechende Schlafsäcke.
- Ein Notsender (ELT oder PLB) ist sowieso erforderlich.
Routenplanung
Eine durchdachte Routenplanung ist essenziell. Dabei gilt:
- Höhe berücksichtigen: Ausreichend Höhe über Hindernissen einhalten. Hier sollte lieber mit großzügigen Pufferwerten gearbeitet werden
- Passagen prüfen: Wetterbedingungen und Sicht in Gebirgspässen beachten, insbesondere da sich das Wetter hier schnell ändern kann.
- Einflüsse der Gebirgslandschaften beachten: So gilt bspw. das der Wind tagsüber in ansteigende Täler hinein weht und nachts bzw. am morgen talauswärts weht. Auch zu beachten ist der Venturi Effekt, wodurch sich in engen Einschnitten zwischen den Bergen die Windgeschwindigkeit erhöht. Überfliegt man einen angeströmten Hang aufwärts so hat man mit Aufwinden zu tun und im Lee mit Abwinden. Hier ist darauf zu achten das die Luft nach dem Absinken auf der windabgewandten Seite einen wellenförmigen Verlauf nehmen kann (Rotoren) was durchaus gefährlich werden kann. Es gibt noch zahlreiche andere Besonderheiten, die hier beachtet werden sollten. Am besten man macht eine spezielle Gebirkseinweisung (siehe unten).
Flugzeug- und Leistungsanalyse
- Dichtehöhe berechnen: Die geringere Luftdichte in der Höhe führt zu eingeschränkter Motor- und Tragflächenleistung.
- Performance-Daten studieren: Die maximale Start- und Steigrate sowie Reichweite müssen zwingend analysiert werden. Diese ist eben aufgrund der geringen Dichtehöhe anders. Beim Start ist die erforderliche Rollstrecke bei großer Dichtehöhe länger, die Steigleistung schlechter und auch bei der Landung ist die Rollstrecke länger, da in dünner Luft die Groundspeed höher ist. Das POH gibt hierzu Auskunft, muss dann aber auch wirklich im Detail studiert werden.
Manöver im Gebirge
- Überfliegen von Pässen: Überfliegt man einen Pass kann es passieren, dass man auf stark absinkende Luft trifft und damit schnell sinkende Flughöhe. Man sollte die Pässe daher mit extra viel Höhe anfliegen. Um bei Bedarf sicher wenden zu können, sollte man Gebirgspässe außerdem immer seitlich anfliegen im Winkel von ungefähr 45 Grad, um den Richtungswechsel, der im Notfall nötig sein kann, schneller durchführen zu können.
- Flugrouten doppelt planen: Alternativen für Notfälle einplanen.
Gebirgseinweisung
Eine spezielle Einweisung durch einen erfahrenen Fluglehrer ist sehr zu empfehlen. Diese umfasst:
- Techniken zum sicheren Fliegen in Gebirgspässen.
- Handhabung von Auf- und Abwinden sowie Turbulenzen.
- Planung und Notfallmanagement.
Wer öfter in den Bergen unterwegs ist sollte darüber hinaus überlegen eine Bergflugberechtigung abzulegen (Mountain Rating).
Bergflugberechtigung (Mountain Rating)
Mit einer Bergflugberechtigung ist man als Pilot berechtigt, Flüge in Gebieten durchzuführen, für die der jeweilige Staat eine solche gesonderte Bergflugberechtigung einfordert. Das können z.B. bestimmte Bergflugplätze oder Gletschergebiete sein. Die Berechtigung wird entweder auf Flugzeugen mit Rädern (um in entsprechenden Gebieten zu landen, wo kein Schnee liegt und daher mit Rädern gelandet werden kann) oder auf Flugzeugen mit Skiern durchgeführt (letzteres erlaubt im Schnee zu starten und zu landen).
Voraussetzung: Hier gibt es keine besondere Voraussetzung, außer natürlich die notwendige Lizenz.
Ablauf: Das aus Theorie und Praxis bestehende Training muss in einem Zeitraum von 24 Monaten abgeschlossen werden. In der Theorie geht es um Dinge wie Equipment, Abflugtechniken, gesetzliche Regelungen, Besonderheiten vom Wetter in Gebirgen, Navigation und Weiteres. In der praktischen Ausbildung werden diese Dinge beim Flug in den Bergen trainiert.
Abschluss: Nach erfolgter Ausbildung muss ein Test mit einem entsprechenden Prüfer erfolgreich absolviert werden. Der Test besteht aus einem mündlichen Theorietest, in dem die Bergflugkenntnisse abgefragt werden, sowie einem praktischen Test, der 6 Landungen auf 2 verschiedenen Oberflächen beinhaltet, die eine Bergflugberechtigung benötigen.
Die Bergflugberechtigung ist immer 24 Monate lang gültig. Sie wird automatisch verlängert, wenn in den jeweils letzten 2 Jahren, mindestens 6 Berglandungen erfolgt sind. Ist dies nicht der Fall, muss die Berechtigung durch einen, wie oben beschriebenen Testflug mit einem Prüfer erneuert werden.
Alpenrouten für VFR-Flieger
Beliebte Alpenüberquerungen
Von Deutschland aus gibt es mehrere bekannte Routen, die für VFR-Flüge geeignet sind. Dazu gehören:
- GAFOR-Routen: Diese bereitgestellten Wetterrouten geben an, welche Pässe unter VFR-Bedingungen beflogen werden können. Details dazu finden sich z.B. in den gängigen Navigations-Apps.
- Inntal-Route: Von Rosenheim über Kufstein und Innsbruck über das Inntal bis nach Italien.
- Brenner-Pass: Eine sichere und gut markierte Route, die von Innsbruck nach Italien führt.
- Tauernautobahn-Route: Über den Alpenhauptkamm von Salzburg in Richtung Süden.
Empfohlene Vorbereitungen
- Wetterberichte von MeteoSchweiz, Austro Control und dem DWD studieren.
- Navigationshilfen wie SkyDemon oder ForeFlight nutzen.
- Vorher eine Alpeneinweisung durch einen erfahrenen Fluglehrer machen
Fazit
Das Fliegen im Gebirge erfordert von Piloten fundiertes Wissen, akribische Vorbereitung und ein hohes Maß an Erfahrung. Wer die Herausforderungen dieser Disziplin meistert, wird mit unvergleichlichen Ausblicken und einem tiefen Verständnis für die Kunst der Luftfahrt belohnt. Es ist jedoch entscheidend, die Risiken nie zu unterschätzen und stets mit der gebotenen Vorsicht zu handeln.