Hintergrund: Avgas 100LL und der Bleizusatz TEL
Kolbenmotoren, die in kleinen Flugzeugen weit verbreitet sind, benötigen Kraftstoff mit einer hohen Oktanzahl, um zuverlässig zu arbeiten. Der Zusatzstoff TEL sorgt dafür, dass Avgas 100LL diese Anforderung erfüllt. Gleichzeitig ist TEL ein verbleites Produkt und hochgiftig, was seine Nutzung zunehmend in Frage stellt.
Die EU-Gesetzgebung sieht eigentlich vor, die Verarbeitung von TEL in der EU ab dem 1. Mai 2025 zu verbieten, um Umwelt- und Gesundheitsrisiken zu minimieren. Dennoch wurde für die Produktion von Avgas 100LL eine Ausnahmegenehmigung gewährt, die bis April 2032 gilt. Der erste europäische Produzent, der diese Genehmigung erhalten hat, ist Shell, gefolgt von weiteren Herstellern wie Warter und Trafigura/Puma.
Warum die Verlängerung?
Die Verlängerung der Genehmigung wurde von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) geprüft und genehmigt. Der Hauptgrund: Es gibt noch keine marktreife Alternative zu Avgas 100LL für Flugzeuge mit Kolbenmotoren. Ohne eine solche Alternative wäre der Betrieb vieler Flugzeuge in Europa nicht mehr möglich, was sowohl wirtschaftliche als auch operationelle Probleme für die allgemeine Luftfahrt zur Folge hätte.
Zusätzlich beeinflusst die Entscheidung in Europa die Entwicklungen in den USA, wo der größte Markt für Avgas liegt. Die Vereinigten Staaten planen, TEL bis 2030 vollständig aus dem Flugbenzin zu entfernen. Europäische Hersteller und Anwender profitieren somit von den Fortschritten auf dem US-Markt und gewinnen Zeit, diese Technologien anzupassen.
Bleifreies Avgas: Der Stand der Forschung
Trotz der Verlängerung bis 2032 arbeiten Hersteller und Forscher intensiv an einer bleifreien Alternative. Ein solches Produkt muss jedoch nicht nur die technischen Anforderungen der Flugzeugmotoren erfüllen, sondern auch weltweit zertifiziert und zugelassen werden.
Einige Fortschritte wurden bereits erzielt:
- GAMI (General Aviation Modifications, Inc.) hat in den USA eine bleifreie Alternative namens G100UL entwickelt, die in bestimmten Flugzeugen bereits getestet wurde.
- Shell Aviation und andere Anbieter arbeiten ebenfalls an Lösungen, die international einsetzbar sind.
Der Hauptfokus liegt darauf, die Übergangszeit für die Einführung bleifreier Kraftstoffe zu verkürzen, um die Umwelt- und Gesundheitsrisiken von TEL zu minimieren.
Bedeutung der Entscheidung für Europa
Die Verlängerung bringt vor allem für Piloten und Flugzeugbesitzer Sicherheit, da der Betrieb ihrer Flugzeuge bis 2032 gewährleistet bleibt. Gleichzeitig ermöglicht sie der Branche, schrittweise auf neue Technologien umzusteigen, ohne den Flugbetrieb kurzfristig zu gefährden.
Jedoch gibt es auch kritische Stimmen:
- Umweltorganisationen warnen vor den Risiken, die TEL weiterhin für Mensch und Natur darstellt.
- Einige Experten befürchten, dass die Verlängerung den Innovationsdruck verringern könnte, rasch eine bleifreie Alternative zu entwickeln.
Ausblick: Der Weg zur bleifreien Zukunft
Die Entscheidung, die Produktion von Avgas 100LL mit TEL bis 2032 zu erlauben, ist ein Kompromiss zwischen den Anforderungen der Luftfahrtindustrie und den Zielen des Umweltschutzes. Klar ist jedoch: TEL soll so bald wie möglich aus dem Flugbenzin verschwinden.
Europa wird dabei stark von den Entwicklungen in den USA profitieren, die mit ihrer Zielsetzung bis 2030 den Weg für eine weltweite Umstellung auf bleifreies Avgas ebnen könnten. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die Luftfahrtindustrie ihre technischen und regulatorischen Herausforderungen bewältigen kann, um den Himmel nicht nur sicherer, sondern auch sauberer zu machen.
Quellverweise:
Fliegermagazin