Verbesserung der VFR/IFR-Wechselverfahren: Sicherheitsempfehlungen der BFU nach tödlichem Unfal
Der Unfall: Analyse des Geschehens
Am Oktober 2021 startete eine Piper PA34-220T von Bonn-Hangelar zu einem Flug nach Hamburg. Der Pilot, der eine Instrumentenflugberechtigung (IR) besaß, hatte einen Z-Flugplan aufgegeben, welcher einen Wechsel von VFR zu IFR vorsah, sobald der Wegpunkt BAMSU, etwa 27 nautische Meilen nordöstlich des Startflugplatzes, erreicht worden wäre. Geplant war eine Reiseflughöhe von FL 120 (12.000 Fuß). Doch kurz nach dem Start kollidierte das Flugzeug bei schlechten Wetterbedingungen (Instrumentenflugwetterbedingungen, IMC) mit ansteigendem Gelände im Siebengebirge, was den Tod von Pilot und Passagier zur Folge hatte.
Die BFU-Untersuchung ergab, dass das Flugzeug in einer konstanten Flughöhe mit hoher Geschwindigkeit in das Gelände flog. Dies deutet auf einen Controlled Flight Into Terrain (CFIT) hin, bei dem ein voll funktionsfähiges Flugzeug aufgrund von Pilotenfehlern oder fehlendem Situationsbewusstsein in den Boden fliegt. Die BFU kommt zu dem Schluss, dass der Pilot vermutlich davon ausging, rechtzeitig steigen zu können, um den IFR-Flug aufzunehmen, jedoch die Gefahr durch das ansteigende Gelände unterschätzte.
Ursachenanalyse: Menschliche und systemische Fehler
Die BFU identifizierte mehrere Faktoren, die zum Unfall beigetragen haben:
- Verlust des Situationsbewusstseins: Der Pilot war sich vermutlich nicht bewusst, dass er sich in einer gefährlichen Situation befand, bei der das Gelände seine Flughöhe überstieg.
- Mangelhafte navigatorische und meteorologische Flugvorbereitung: Eine unzureichende Planung hinsichtlich der Wetterbedingungen und des Geländes war ebenfalls ein kritischer Faktor.
- Mangelhafte Kommunikation: Während des Funkkontakts zwischen Pilot und Radarlotsin kam es zu Verzögerungen und Missverständnissen, die den Flugverlauf beeinträchtigten.
- Systemische Probleme im Luftraum: Der Unfallbericht verweist insbesondere auf Restriktionen im Luftraum Klasse G in Deutschland, die den sicheren Betrieb nach IFR erschweren.
Besonders dieser letzte Punkt wird im Bericht hervorgehoben. Der Luftraum Klasse G, der als unkontrollierter Luftraum gilt, erlaubt IFR-Flüge nur unter bestimmten Bedingungen, was in diesem Fall eine zentrale Rolle spielte. Laut BFU wäre eine bessere Integration von IFR-Verfahren im unkontrollierten Luftraum notwendig, um die Sicherheit zu erhöhen.
Empfehlungen der BFU: Verbesserung der Kommunikation und des Verfahrens
Auf Grundlage dieser Analyse gibt die BFU mehrere Sicherheitsempfehlungen heraus. Ziel ist es, die Verfahren beim Wechsel von VFR zu IFR sicherer zu gestalten und dabei besonders die Kommunikation zwischen Piloten und Fluglotsen zu verbessern.
Empfehlung 06/2024: Die BFU fordert die Flugsicherungsorganisationen auf, sicherzustellen, dass der verantwortliche Sektor der Bezirkskontrollzentrale bereits vor dem Abflug kontaktiert werden kann. Dadurch könnte bei schwierigen Wetterbedingungen der individuelle Transpondercode schon vor dem Start übermittelt werden, was die Identifikation des Flugzeugs und die Flugkoordination beschleunigen würde. Dies würde insbesondere bei kritischen Wetterverhältnissen, wie sie bei dem Unfall herrschten, Zeit sparen und möglicherweise Unfälle verhindern.
Empfehlung 07/2024: Eine weitere Empfehlung richtet sich an das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV). Es wird vorgeschlagen, die Luftraumstruktur in Deutschland so anzupassen, dass IFR-Flüge im unkontrollierten Luftraum (Luftraum Klasse G) unter Einhaltung der europäischen Vorgaben (SERA) sicher möglich sind. Dies könnte eine erhebliche Verbesserung der Sicherheit für Instrumentenflüge im unkontrollierten Luftraum bewirken.
VFR/IFR-Wechselverfahren: Herausforderungen und Chancen
Der Unfallbericht wirft ein kritisches Licht auf die Praxis der VFR/IFR-Wechselverfahren in Deutschland. Diese Verfahren sind im Luftfahrthandbuch AIP Deutschland unter ENR 1.8 geregelt. Piloten, die einen Flug nach IFR planen, müssen vor dem Eintritt in einen kontrollierten Luftraum eine Flugverkehrskontrollfreigabe einholen. Allerdings bestehen Einschränkungen, wie etwa die Notwendigkeit, den Wechsel in oder oberhalb der Minimum Vectoring Altitude (MVA) durchzuführen.
Ein weiteres Problem, das die BFU anspricht, ist die fehlende Integration von IFR-Freigaben vor dem Start bei Flügen von unkontrollierten Flugplätzen. Im konkreten Fall der Piper PA34-220T konnte der Pilot erst nach dem Start eine IFR-Freigabe anfordern. Eine telefonische IFR-Freigabe vor dem Start war damals nur einer kleinen Gruppe, wie beispielsweise der Bundespolizei, möglich. Ein solches Verfahren für alle Piloten könnte die Flugkoordination und die Sicherheit erheblich verbessern.
Blick auf internationale Verfahren
Die BFU vergleicht das deutsche VFR/IFR-Wechselverfahren mit internationalen Praktiken. In einigen anderen Ländern wird dieses Verfahren für alle Verkehrsteilnehmer routinemäßig angeboten, was zu einer höheren Effizienz und Sicherheit führt. Die BFU ist der Ansicht, dass ein ähnliches Vorgehen in Deutschland dazu beitragen könnte, den Zeitbedarf für Kommunikation und Koordination zu verringern und somit potenzielle Unfälle zu verhindern.
Fazit: Notwendige Reformen für mehr Sicherheit
Der Unfall der Piper PA34-220T hat gravierende Mängel in den VFR/IFR-Wechselverfahren und in der Luftraumstruktur Deutschlands offengelegt. Die Empfehlungen der BFU sind klar: Eine Verbesserung der Kommunikation, der Frühzeitigkeit der Transpondercode-Zuweisung sowie eine Anpassung der nationalen Luftraumstruktur sind entscheidend, um solche tragischen Unfälle in Zukunft zu verhindern.
Organisationen wie die AOPA-Germany begrüßen die Empfehlungen und fordern deren zügige Umsetzung. Eine Modernisierung der Verfahren würde nicht nur die Effizienz erhöhen, sondern vor allem die Sicherheit für alle Beteiligten in der allgemeinen Luftfahrt verbessern.
Mit diesen Änderungen könnten die VFR/IFR-Wechselverfahren in Deutschland in naher Zukunft deutlich sicherer und effektiver gestaltet werden.
Quellverweise:
AOPA